Die Route 66 ist nach wie vor eine der bekanntesten Straßen der Welt. Über 2.448 Meilen oder 3.940 km verbindet sie seit 1926 Chicago mit Santa Monica, also den Osten mit dem Westen der USA. Insbesondere während des "Dust Bowls" Mitte der 1930er Jahre brachte sie viele Siedler aus dem von der Dürre besonders betroffenen Oklahoma und den umliegenden Bundesstaaten nach Kalifornien. Nach dem Krieg wurde die Straße vor allem von Urlaubern genutzt. Mittlerweile hat ihr die in weiten Teilen parallel verlaufende Interstate 40 jedoch völlig den Rang abgelaufen, ihre Bedeutung für den Alltagsverkehr tendiert gegen null. Und dennoch ranken sich bis heute viele Legenden um die "Mother Road", die Mutter aller Straßen.

Doch was genau zieht alljährlich zahllose Biker auf ihren Harley Davidsons in den Bann der Route 66? Ist es nur der durch einige populäre Filme und Lieder kreierte Mythos, oder gibt es sie wirklich, die große Freiheit auf dem endlosen Asphalt? Wir wollten es herausfinden, und so haben wir im August 2011 die Route 66 befahren. Mangels Motorradführerscheins allerdings nicht auf der Harley, sondern im Cabrio, und - Ehrensache - natürlich die ganze Strecke von Chicago bis nach Los Angeles. Dabei sind wir allerdings nicht zwanghaft der Route 66 gefolgt, die gerade im Bereich der Großstädte durch viele unschöne Gegenden führt, sondern haben einige Abstecher eingebaut, insbesondere zu Beginn nach Memphis sowie gegen Ende nach Las Vegas und San Francisco. Da es ein Verbrechen gewesen wäre, Nationalparks wie den Grand Canyon und den Joshua Tree auszulassen, haben wir auch diese besucht, obwohl sie nicht unmittelbar an der Route 66 liegen.

Übrigens setzt es besonderes Geschick voraus, wenn man ab Chicago ein Cabrio mieten will. Es gibt unter Dutzenden von Mietwagenfirmen nämlich nur eine einzige, die Cabrios anbietet, und das ist ausgerechnet HERTZ, also ein Anbieter, mit dem wir früher schlechte Erfahrungen gemacht haben. Diesmal hatte man allerdings tatsächlich ein Cabrio vorrätig, und zwar einen weißen Chrysler 200. Ein langes Schiff mit einem Mini-Kofferraum, in dem selbst unser schmales Gepäck (wir reisen nur noch mit Handgepäck, egal wohin) nur mit äußerster Mühe Platz fand.

Dass man einen Einwegzuschlag von mindestens 500$ zahlen muss, wenn man einen Wagen in Chicago anmietet und in Kalifornien wieder abliefert, sei auch erwähnt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Spezialität von HERTZ, sondern eine allgemein übliche Praxis. Würde man die Route 66 in umgekehrter Richtung befahren, entfiele diese Gebühr, und da es sich nicht gerade um einen kleinen Posten handelt, mag diese Variante auf den ersten Blick eine Überlegung wert sein. Sie empfiehlt sich aber dennoch nicht, denn erstens brachte die Route 66 die Siedler aus dem Osten in den Westen und nicht umgekehrt, es wäre also extrem uncool, sie "falsch herum" zu befahren, und zweitens und vor allem wird die Route 66 von Osten nach Westen immer schöner und interessanter, und wer will schon alle Highlights am Anfang weg haben?

Nicht ganz leicht festzulegen ist die Reisezeit. Fährt man im Frühling oder Herbst, ist es im Westen am angenehmsten, im Osten aber empfindlich kalt und unbeständig. Fährt man im Hochsommer, sind im Osten die Chancen auf gutes Wetter am höchsten, dafür muss man im Westen 40 Grad ertragen. Da wir im Zweifel Sonne und Hitze Kälte und Regen vorziehen, entscheiden wir uns für den August. Prompt hatten wir tatsächlich nichts als Sonne, und an nicht wenigen Tagen Temperaturen von 40 Grad. Im Cabrio und mit Klimaanlage ließen sich diese aber erstaunlich gut ertragen.
 

Bevor wir uns auf die Route 66 begaben, erkundeten wir zwei Tage lang Chicago. Wo genau dort die Route 66 beginnt, ist gar nicht so leicht zu sagen. Traditionell lag ihr Ausgangspunkt an der Ecke Jackson Boulevard / Lake Shore Drive, aber der Jackson Boulevard ist heute eine Einbahnstraße in die falsche Richtung. Deshalb hat man das Hinweisschild eine Straße weiter verlegt, an die Ecke Michigan Avenue / Adams Street. Natürlich muss man es fotografieren, wenn man die Route 66 befahren will, auch wenn es letztlich nur ein Schild ist. Im Hintergrund erkennt man übrigens den "Loop", die Hochbahn in Downtown Chicago, welche unerfahrene Touristen an den Rande eines Herzinfarktes bringt, wenn plötzlich mitten in der Stadt ein scheppernder Zug mit Höllenlärm über sie hinwegdonnert.

Chicago hat aber auch deutlich schönere Fotomotive zu bieten. Keinesfalls versäumen sollte man z.B. einen Besuch auf dem Skydeck des "Willis Towers" (früher "Sears Tower" genannt), der mit seinen 442m Höhe (ohne Antennen) nach wie vor eines der höchsten Gebäude der Welt ist. Hierzu ein Tipp: Man sollte zur Öffnung morgens um 9 Uhr erscheinen, denn dann kann man ohne Wartezeiten durchgehen. Später steht man an durchschnittlichen Tagen locker zwei Stunden für Tickets und Aufzüge an.

Der Willis Tower selbst ist - wie wohl alle zugebauten Wolkenkratzer - nur sehr schwer zu fotografieren. Etwas leichter hat man es da schon mit den riesigen Skulpturen von Miro und Picasso in seiner unmittelbaren Nähe.

Überhaupt ist Chicago für Architekturinteressierte ein echtes Eldorado. Neben zahllosen Hochhäusern aus 100 Jahren Hochbaukunst kann man z.B. die Frank Lloyd Wright Houses in Oak Park besichtigen (wozu wir leider aus Zeitgründen nicht kamen) oder in eines der zahlreichen Museen zu diesem Thema gehen. Ein besonderes, wenngleich vom Durchschnittstouristen vielleicht nicht beachtetes Schmuckstück unter den Bauwerken Chicagos ist Wrigley Field, die Heimat der Chicago Cubs.

In diesem zweitältesten Baseballstadion der USA (Baujahr: 1914) weht im wahrsten Sinne des Wortes ein historischer Wind, denn die bald 100jährige Tradition ist dort mit Händen zu greifen: Die alten Tribünen, die Efeumauer im Outfield, die Dachterrassen der umliegenden Häuser mit freiem Blick auf das Spielgeschehen... es gibt so viel zu bestaunen, dass es fast Nebensache ist, dass die Cubs seit über 100 Jahren keine Meisterschaft mehr gewonnen haben. 2011 wird sich daran übrigens nichts ändern, denn an diesem 5.8.2011 hatten sie gegen die Cincinnati Reds zwar das bessere Ende für sich (4:3), in der Tabelle sind sie aber bereits weit abgeschlagen.

Etwas weniger historisch geht es bei den Chicago White Sox zu, dem Ortsrivalen der Cubs. Das Team existiert zwar auch schon über 100 Jahre, aber ihr jetziges Stadion, U.S. Cellular Field, wurde erst 1991 erbaut. Die White Sox sind etwas erfolgreicher als die Cubs, 2005 gelang ihnen sogar der Gewinn der Meisterschaft, die im Baseball "World Series" genannt wird (wenngleich nach einer Wartezeit von immerhin 88 Jahren). Gegenwärtig läuft es für sie jedoch nicht viel besser als für die Cubs. Auch in dem von uns besuchten Spiel waren sie gegen die favorisierten New York Yankees chancenlos (2:7).

In Erinnerung bleiben wird uns neben dem Spiel auch der schöne Blick vom U.S. Cellular Field auf das nächtliche Chicago:

Eine der Hauptattraktion Chicagos ist der "Millenium Park". Seine Fertigstellung verschlang Unsummen und verzögerte sich weit über die Jahrtausendwende hinaus, weshalb er von den Einwohnern spöttisch "Next Millenium Park" genannt wurde. Mittlerweile ist aber alles fertig, und es hat sich gelohnt: Man spaziert durch eine grüne Oase mitten in der Stadt. Besondere Aufmerksamkeit zieht das "Cloud Gate" am Ende des Parks auf sich, eine Art Riesenbohne aus Metall, auf deren spiegelnder Oberfläche sich die umliegenden Hochhäuser verzerrt abbilden. Ungewöhnlich, aber nicht ohne Reiz.

Ein Wahrzeichen Chicagos sollte ich abschließend noch erwähnen, nämlich die "Buckingham Fountain", einen Springbrunnen im Grand Park, der nicht zuletzt durch den Vorspann der Kultserie "Married...with children" berühmt geworden ist. Leider kann ich von selbigem kein eigenes Foto bieten, da der Grand Park während unseres kurzen Aufenthalts wegen des "Lollapalooza-Festivals" komplett abgesperrt war. Jene Sperrung bescherte uns zudem einen Umweg von ca. einer Meile am Hafen, weil sich sämtliche Querstraßen zurück zum Hotel als unpassierbar erwiesen. Immerhin, es gibt unschönere Kulissen für einen Fußmarsch: