Fahrt von Banff nach Salmon Arm
Die letzten drei Tage unserer Reise nahm der Rückweg von Banff über Salmon Arm und Vancouver nach Seattle in Anspruch. Dass der Großteil der Reise bereits vorüber war, ließ sich nun nicht mehr leugnen. Schon das Gefühl, wieder schnurstracks nach Westen zu fahren, nachdem wir zwölf Tage lang praktisch ununterbrochen Richtung Osten unterwegs waren, hatte etwas von Abschied. Aber natürlich bestand die Rückfahrt nicht nur daraus, Strecke abzureißen, sondern es gab unterwegs noch eine Menge zu sehen.

Zum Glück lag zum Beispiel Lake Louise genau auf unserer Strecke, und da bei unserem ersten Besuch an diesem vielleicht schönsten See im Banff NP nicht das beste Wetter war, beschlossen wir, ihm noch einmal bei strahlendem Sonnenschein die Ehre zu erweisen. Bei dieser Gelegenheit konnten wir uns auch davon überzeugen, dass das Cafe im Fairmont Chateau noch immer $13 für einen Cappucino, einen Kakao und ein Donut verlangte. Wie schön, dass es im Leben noch Konstanten gibt!

Die Strecke von Lake Louise bis zu unserem Zwischenstopp in Salmon Arm führte quer durch Kanada, immer den Trans Canada Highway (TCH) entlang. Unterwegs kommt man durch den Yoho NP und den Glacier NP. Letzterer ist nicht mit seinem amerikanischen Namensvetter zu verwechseln, auch wenn beide über Berge und Wälder verfügen. Die Fahrt durch diese Nationalparks geschieht beinahe unmerklich, wenn man sich nicht zu einem Wanderaufenthalt oder anderen Freizeitaktivitäten entschließt, denn bis auf ein paar Schilder am Wegesrand weist nichts darauf hin, dass der TCH plötzlich durch einen Nationalpark führt. Die Szenerie aus Bergen, Tälern, Wäldern und Seen (im Bild ein See kurz hinter Revelstoke) ändert sich kein bisschen.

Salmon Arm
Salmon Arm ist ein kleiner, beschaulicher Ort ziemlich genau 280 Meilen nordöstlich von Vancouver. Er verdankt seinen Namen dem Shuswap Lake, der sich durch seine ungewöhnliche Form auszeichnet: Seine vier langen Arme sind nur an einer einzigen schmalen Stelle miteinander verbunden. An einem dieser Arme, "Salmon Arm" genannt, liegt Salmon Arm. Der Shuswap Lake wiederum verdankt seinen Namen einem Indianerstamm, der vor hundertfünfzig Jahren die Gegend unsicher machte, als die ersten Siedler hierher kamen. Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass an den Armen des Shuswap Lake unzählige Hausboote ankern, die wegen ihres geringen Tiefgangs für das flache Gewässer ideal sind.

Salmon Arm wird von allen Reiseführern lediglich als Durchgangsstation zwischen Vancouver und Banff beschrieben, und viel mehr als eine bessere Pferdetränke ist der Ort mit seinen 12.000 Einwohnern auch nicht.  Er liegt ganz nett am See, verfügt über einen kleinen Hafen und ein sehr schön am Wasser gelegenes Hotel, in dem unser Reiseveranstalter uns glücklicherweise einquartiert hatte. Das Wort "beschaulich" beschreibt das Städtchen am besten. Hier gehen die Uhren noch langsamer als anderswo in Kanada. Am Hafen beispielsweise saßen mehrere Motorbootsvermieter in der Sonne und warteten auf Kundschaft, die offensichtlich nirgendwo zu sehen war, denn bis auf uns trieb es an diesem späten Nachmittag keine Menschenseele auf den angeblich längsten Holzsteg Westkanadas (Bild). Nicht, dass sich jemand darüber geärgert hätte, denn so hatten die Herren Zeit zum Kartenspielen, Deck schrubben, Bier trinken und Plaudern. Man hatte fast das Gefühl, ein Kunde hätte die ganze Gesellschaft in heillose Aufregung versetzt. Die einzige Burgerbude am Steg hatte gleich ganz geschlossen - und das will etwas heißen in Nordamerika.

Uns war es mehr oder weniger Recht, denn wir hatten einen langen Fahrtag hinter uns und einen weiteren vor uns, da konnten wir etwas Ruhe im Hotelzimmer ganz gut gebrauchen. Bei dieser Gelegenheit beschlossen wir auch, unsere vorgegebene Reiseroute erneut zu ändern, den vorgesehenen Schlenker über Whistler auszulassen und statt dessen direkt nach Vancouver zu fahren. Auf diese Weise tauschten wir einen Tag im Wintersportort Whistler gegen einen Tag in Vancouver, und Vancouver versprach im Sommer nun einmal wesentlich interessanter zu sein als Whistler.

Vancouver Teil 1
Als wir gegen Mittag des nächsten Tages in Vancouver eintrafen, führte uns unser erster Weg in den nördlich von Vancouver gelegenen Lynn Canyon Park, dessen Hauptattraktion die Lynn Canyon Suspension Bridge ist, eine 50m hohe, hölzerne Hängebrücke, die einem den Atem verschlägt, wenn man sie überquert und nicht schwindelfrei ist. Die ganze Konstruktion wankt und wackelt, und wir haben uns gewundert, dass nicht täglich jemand abstürzt.

Vom Lynn Canyon ist es nicht weit bis zum Cypress Provincial Park, von dessen Highview Lookout aus man einen schönen Panoramablick auf Vancouver hat. Grundsätzlich lohnt sich ein Stop dort auf jeden Fall, aber uns bescherte er mittelbar zwei weniger schöne Stunden. Und das kam so: Dummerweise hatte ich auf der kurzen Fahrt zum Cypress Provincial Park im Augenwinkel ein Schild gesehen, das die Aufschrift "Whistler, 110 km" trug. Zur Erinnerung: In Whistler hätten wir eigentlich die Nacht in einem bereits gebuchten Hotel verbringen sollen, während wir in Vancouver erst noch eine Unterkunft hätten suchen (und bezahlen) müssen. 110km waren potenziell in einer Stunde zu machen, und so beschlossen wir, unsere Pläne noch einmal zu ändern und doch nach Whistler zu fahren.

Vergebliche Fahrt nach Whistler
Keine gute Entscheidung. Gar keine gute Entscheidung. Denn schon nach wenigen Kilometern begann eine Monster-Baustelle, die kein Ende zu nehmen schien. Die einzige Straße von Vancouver nach Whistler führt in Serpentinen durch die Berge, und diese Serpentinenstraße wurde gerade von zwei auf vier Spuren ausgebaut. und zwar, wie sich schnell herausstellte, auf den gesamten 110km! Grund sind die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver, deren alpiner Teil in Whistler stattfinden wird. Für die zu erwartenden Besucherströme von Vancouver nach Whistler würde nur eine Spur für jede Richtung auf der einzigen Verbindungsstraße wohl den Verkehrsinfarkt bedeuten. Jedenfalls nahmen wir alles mit, was eine Baustelle einem Autofahrer nur bieten kann: Stillstand, 3-Minuten-Ampeln, Staubfontänen (im Cabrio immer beliebt), ohrenbetäubenden Baulärm und sogar Teilabschnitte mit einem voraus fahrenden "Pilot Car", das echtes Formel-Eins-Feeling aufkommen ließ. Nur gut, dass wir uns nicht auf der Gegenfahrbahn befanden, denn dort stand am Anfang eines Endlosstaus ein Fahrzeug, dessen Fahrer tief und fest eingeschlafen und einfach nicht mehr aufzuwecken war. Hupen half jedenfalls nichts, denn wir sahen im Vorbeifahren Leute aussteigen und an seinem Fahrzeug rütteln. Die Nerven möchte ich haben!

Nach einer geschätzten Stunde hatten wir jedenfalls genug und kehrten eingezogenen Schwanzes nach Vancouver zurück. Natürlich wieder durch die selbe Baustelle. Der heilige Christophorus hatte aber freundlicherweise ein Einsehen, denn aus einem unerfindlichen Grund dauerte die Rückfahrt nicht halb so lange wie die Hinfahrt. Ein Hotel in Vancouver zu finden war dann im Ergebnis kein Problem. Zwar war ausgerechnet das Hotel, in dem wir einen Tag später ohnehin ein Zimmer hatten, ausgebucht, aber direkt nebenan hatte ein mindestens gleichwertiges Hotel noch Kapazitäten frei.

Vancouver Teil 2
Den letzten Urlaubstag widmeten wir der Innenstadt von Vancouver. Los ging es im ältesten, "Gastown" genannten Stadtteil, wo eine viel fotografierte, gleichwohl nur ein bescheidenes Motiv abgebende "Steamclock" (Bild rechts) seit 1977 alle Viertelstunde Dampf ablässt. Benannt ist Gastown übrigens nach dem Wirt Gassy Jack, der hier 1867 den ersten Saloon eröffnete. Sein Denkmal zeigt ihn passender Weise auf einem Whiskyfass.

Unweit von Gastown erreicht man den "Top of Vancouver Tower" mit einer tollen Aussicht über die Stadt. Was einem vorher keiner sagt: Der (gläserne) Aufzug führt an der Außenwand hoch! Wer also keinen Wert darauf legt, zwischen sich und dem Abgrund nur eine dünne Glasplatte zu haben, sollte lieber unter bleiben. Nach der "Suspension Bridge" bestanden wir diesen vergleichsweise lächerlichen Test allerdings ohne mit der Wimper zu zucken. Das Aussichtsplateau ist besonders gut gemacht, weil an allen Stellen übersichtliche und informative Tafeln erklären, was man genau sieht. 

Als ein Muss beschreibt jeder Reiseführer die Waterfront. Wir fanden selbige allerdings vergleichsweise uninteressant, denn eine echte Hafenpromenade sucht man vergeblich. Zudem wird der Hafen von Industrieanlagen dominiert, und nicht, wie wir gehofft hatten, von kleinen und feinen Booten. Die Akustik bestimmen im Minutentakt startende, lärmende Wasserflugzeuge. Am ansehnlichsten ist noch der Canada Palace, ein von der Expo 1986 übrig gebliebener Komplex, der an eine Mischung aus Segelschiff und Sydney Opera House erinnert (Bild). Dort legen die großen Kreuzfahrtschiffe an, die die Nordwestpassage durchqueren. Vor Ort gibt es ferner ein IMAX-Kino, und da wir gerade nichts Besseres zu tun hatten, sahen wir uns dort einen knapp einstündigen 3D-Film über Dinosaurier an.

Zum Abschluss unserer kleinen Tour durch Vancouver unternahmen wir noch einen Ausflug in den Stanley Park, der vor allem zwei Attraktionen aufzuweisen hat, nämlich echte Totempfahle verschiedener Indianerstämme (Ausschnitt Bild rechts), und einen hervorragenden Blick auf ganz Vancouver.

Rückreise
Nach der Übernachtung im Hotel standen für den nächsten Tag noch die Rückfahrt zum Seattle Airport an, wo wir Abschied von unserem PT Cruiser nehmen mussten, der uns über zwei Wochen immerhin 5.248km (= 3.261 Meilen) sicher durch die Lande gebracht hatte. Der Rückflug verlief problemlos, wenn man einmal von den schikanösen Sicherheitskontrollen und den damit verbundenen Wartezeiten absieht, deren Ausmaß in Seattle zu schildern hier zu weit führen würde, jedenfalls aber mit berechtigten Vorkehrungen gegen Terroranschläge nichts mehr zu tun hatte.

Unter dem Strich können wir ein positives Fazit ziehen. Wir haben es vor allem nicht bereut, unsere Reiseroute geändert zu haben. Wegen des auch im Sommer höchst unzuverlässigen Wetters können wir nur jedem Besucher des Nordwestens der USA und Kanadas raten, eine gewisse Flexibilität (oder einen Regenmantel) mitzubringen. Wer die Alpen mag und in Fahrten durch einsame Landschaften mehr sieht als nur das Abreißen von Strecke, wird dort aber auf jeden Fall auf seine Kosten kommen.
 

<< Zurück zu Teil 4

 

 
Bilder:



Der Hafen mit Hausbooten in Salmon Arm.



Die Hängebrücke im Lynn Canyon Park.



Downtown Vancouver vom "Top of Vancouver Tower" aus.



Canada Palace an der Waterfront.



Vancouver vom Stanley Park aus.



Totempfähle im Stanley Park.