USA
& Kanada: Der Nordosten
3. Teil: 04.09.04 bis 05.09.04
Boston - Maine - Camden - Waterville
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Harvard University
Die erste Station des heutigen Tages war die Universität von Harvard, das Aushängeschild traditionell-amerikanischer Bildungspolitik. Das Uni-Gelände liegt in
Cambridge, einer eigenen Stadt unmittelbar vor den Toren Bostons mit vielleicht 100.000 Einwohnern. Über ein Viertel davon sind Studenten. Gut, die Quote haben wir
in Münster auch.
Passen müssen wir allerdings bei den Absolventen, die es zum US-Präsidenten (7, darunter John Fitzgerald Kennedy und George Walker Bush) oder gar zum Nobelpreisträger (40)
gebracht haben. Der Campus ist wirklich sehr schön, mit viel Grün und vielen alten Gebäuden, darunter der gewaltigen, nur für Studenten zugänglichen
Widner Library, der Hauptbibliothek mit 4,5 Mio. Bänden. Eine eigene Kirche
mit einer knappen Gedenktafel erinnert an die "Harvard men who lost their lives in the war".
"The war" meint offensichtlich den 1. Weltkrieg, wie ein Blick auf
das Baudatum (1921) vermuten lässt. Überhaupt haben sie es nicht mit Beschriftungen, die "Harvard men". So erinnert beispielsweise eine Statue
mitten auf dem Campus an "John Harvard, Founder, 1638". Diese Inschrift auf dem Sockel liegt allerdings gleich dreifach daneben:
Sie gibt als Gründungsjahr statt 1636 fälschlich 1638 an, die Uni wurde nicht von John Harvard gegründet, sondern vom "Great and General Court of the Massachusetts Bay
Colony" (Harvard hat ihr wohl sein Vermögen vermacht, als er
1638 starb, und das Geld hat der Uni ganz wesentlich zu ihrer Blüte verholfen), und das Antlitz der
Statue zeigt nicht John Harvard, sondern ist völlig fiktiv,
weil sie erst Generationen nach seinem Tod entstanden ist und
von Johnny kein einziges Bild existiert. Sei's drum. Rund um den eingemauerten Campus findet sich übrigens eine Vielzahl von Copy-Shops, Cafes, Büchereien usw. Jeder, der wie wir aus
einer Studentenstadt kommt, wird sich dort heimisch fühlen.
Boston Harbor
Den Nachmittag wollten wir nutzen, um uns den Hafen näher anzusehen. Dieser sollte laut Plan mit der U-Bahn von Cambridge aus bequem zu erreichen sein. Nur leider mussten
wir ausgerechnet heute auf Schienenersatzverkehr mit Bussen ausweichen, weil eine Station gesperrt war. Sehr anstrengend. Am
Hafen angekommen, kauften wir uns sogleich Tickets für eine Whale-Watching-Tour. Vom Boston Harbor aus kann man nämlich mit einem Katamaran auf den Atlantik hinaus
fahren, wo sich im Sommer Wale tummeln, die wegen des hohen Plankton-Gehalts im Gulf of Maine dort auf Fischnahrung in Hülle und Fülle treffen. Da die nächste fahrt aber erst eine Stunde später ging, hatten wir noch
Gelegenheit, uns am Hafen etwas umzusehen. Sehr bekannt ist die
"Boston Tea Party", die ihren Namen einem Vorkommnis aus dem Jahre 1773 verdankt. Damals warfen die
Amerikaner aus Ärger über eine Teesteuer der Kolonialmacht England kurzehand die gesamte Teeladung des im Boston Harbor ankernden englischen Handelsschiffs Beaver über
Bord. Nach dieser Aktion sperrten die Engländer den Hafen und ergriffen drastische Strafen, mit denen sie das Volk
nur noch mehr gegen sich aufbrachten. Man kann die Boston Tea Party
also durchaus als Auslöser des Unabhängigkeitskrieges (1775-1783) sehen, zumal dessen erste Schlacht in Lexington, unweit von Boston ausgetragen wurde. Im Hafen sollte es
laut Stadtplan auch ein "Tea Party Ship" geben, auf dem das Ereignis mehrmals am Tag nachgespielt wird. Der Reiseführer wies allerdings darauf hin, dass dieses erst 2005
wieder geöffnet ist, und tatsächlich war das Schiff nicht nur geschlossen, sondern gänzlich verschwunden.
Auch gut, denn in der durch die ausgefallene Besichtigung
gesparten Zeit stärkten wir uns am Quincy Market - einer
Meile von Fressbuden - für die bevorstehende Bootsfahrt.
Whale Watching
Der Katamaran, der uns zu den Walen bringen sollte, war natürlich kein Segler, sondern ein Highspeed-Boot, das selbst gegen die Strömung ein solches Tempo
entwickelte,
dass der Wind einem in die Augen schnitt. Auch zog es lausig, und wir waren froh, einen Pullover eingepackt zu haben. Dafür brauchten wir aber auch "nur" ca. 90 Minuten
bis zum Ort des Geschehens, während die normalen Ausflugsschiffe glatt das Doppelte benötigen. Tatsächlich bekamen wir auch Wale zu sehen, die alle paar Minuten
auftauchten. Hauptsächlich gibt es dort Buckelwale, aber auch Finn- und Zwergwale. Eine Meeresbiologin gab Auskunft über die Wale, ihr Habitat und - natürlich - ihre
Existenzbedrohung. Gleichzeitig diente sie als Ober-Whalewatcherin, weil sie uns Touris immer gleich per Mikro verkündete, auf welcher Seite des Schiffes wo wieder ein Wal
aufgetaucht war. Obwohl meine Digitalkamera für derartige Situationen wegen des langsamen Zooms nicht geschaffen ist, sind mir einige Fotos gelungen. Das Geheimnis war,
nicht von einer Seite des Schiffes zur nächsten zu rennen, denn
bis man sich in Position gebracht hatte, war der Wal schon wieder weg. Am besten sehen und fotografieren
konnte man, wenn man geduldig auf einer Seite auf den Wal wartete. Die Wale hatten einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und tauchten auf beiden
Seiten in etwa gleich oft auf, einmal sogar direkt vor der Backbordwand, vielleicht 3 Meter unter mir. Wir haben zwar schon mehrfach Wale gesehen, unter anderem Orcas in Sea World (San Diego),
aber es macht doch einen Riesen-Unterschied, ob man sie in einem Planschbecken oder in freier Natur sieht. Ein tolles Erlebnis, das die Mühe wirklich lohnte. Meine
Seekrankheit, für die ich sehr anfällig bin, hielt sich in Grenzen, obwohl eine steife Brise
wehte und wir mit gehörigem Wellengang zu kämpfen hatten. Auf dem
Rückweg bekamen wir dann quasi als Sahnetupfer auch noch eine Schule von ca. 150 Delfinen zu sehen, die ihre Bahnen zogen und lustig um den Katamaran herumsprangen.
Maine
Am nächsten Tag sah die Tourplanung die Weiterreise von Boston nach Portland vor, eine kurze Autobahn-Strecke von vielleicht 180 km. Portland ist jedoch eine unbedeutende
Hafenstadt ohne besondere Attraktivität, und so entschlossen wir uns, Portland Portland sein zu lassen und einfach gen Norden weiter zu fahren. Einmal von der Autobahn
herunter kann man sich nämlich über die Landstraßen entlang der
Küste Maines treiben lassen.
Diese bietet eine wunderschöne Landschaft, die geprägt ist von Wald,
unendlich viel Wald, unterbrochen nur von kleinen Örtchen mit Landhäusern im Stil der Gründerzeit, sowie natürlich der allgegenwärtigen Küste. Überall sieht man Schilder,
die vor kreuzenden Elchen warnen, und an wirklich jeder Tankstelle und jedem Souvenir-Shop kann man Stoffelche, Elchtassen,
Elchaufkleber u.v.m. erstehen. Moooooose Country. Apropos Tankstellen: Diese sind nicht eben zahlreich. Wo im Westen an jeder Ecke eine steht, gibt es im Nordosten der USA
statt dessen ein Sägewerk oder eine
Baptisten-Kapelle. Der Wald war übrigens noch recht grün, nur vereinzelt war schon die Braunfärbung der Bäume zu erkennen, die den Indian Summer in dieser Gegend so
berühmt macht. Auffällig war, dass die Häuser größtenteils US-Flaggen aus dem Fenster hängen hatten - offenbar ein Symbol der Solidarität mit den US-Truppen im Irak. Man
stelle sich einmal vor, bei uns würde auch nur einer eine Deutschland-Fahne aus dem Fenster hängen, wenn nicht gerade ein WM-Sieg zu feiern ist! Undenkbar, wenngleich
inzwischen ja in diversen Schrebergärten gerne Ferrari geflaggt wird, wenn Schumi fährt. Das ist aber auch das Äußerste.
Camden
Den ersten Stopp legten wir gegen Mittag in Camden ein, laut Reiseführer das "St. Tropez Maines". Camden hat einen
sehr schönen Hafen und macht auch sonst einen recht schnuckeligen Eindruck. Wir wollten dort unbedingt
Hummer essen gehen, weil die Region für ihren "Red Lobster" berühmt ist und man ihm tatsächlich frisch aus der Falle
serviert bekommt. Tatsächlich fanden wir auch ein schönes Restaurant mit Hafenblick, dessen Speisekarte vorwiegend aus Lobster in allen Variationen bestand. Für uns kam
aber nur die Pur-Variante in betracht, da wir noch nie Hummer probiert hatten und selbigem wenigstens einmal im Leben mit der Zange zu Leibe rücken wollten. Ein
Hummer-Burger ist da einfach nicht das gleiche, auch wenn man wahrscheinlich i.E. mehr davon gehabt und weniger dafür bezahlt hätte. Glücklicherweise verfügte das
Restaurant über eine idiotensichere Anleitung, wie man Hummer essen muss, und mit dieser stießen wir tatsächlich auch zu den schmackhaftesten Stellen vor. Mir hat Hummer
ganz gut geschmeckt, ohne dass ich von einer Delikatesse ohne gleichen sprechen wollte. Anfängern kann ich darüber hinaus nur empfehlen, die von Experten als besonders
lecker deklarierte grüne, schleimartige Paste in der Mitte des aufgebrochenen Hummerkorpus (wohl Eier o.ä.) tunlichst zu meiden oder zumindest mit Vorsicht zu genießen!
Ich habe nur eine Messerspitze gekostet, und mehr hätte ich auch nicht vertragen.
Nach dem Essen fuhren wir noch einen Aussichtshügel im Norden Camdens hinauf, der einen hervorragenden Blick über den Ort und die ganze
Penobscot Bay bietet. Die Benutzung des einzigen Weges
dorthin kostet zwar Maut, aber daran hatten wir uns an der Ostküste bereits seit langem gewöhnt. Praktisch jede Autobahn hat irgendwo ihren
"Toll-Plaza", und man muss latzen. Nie sehr viel, maximal 5 Dollar für eine längere Strecke, aber es läppert sich. Ich schätze, dass wir auf unserer Fahrt bestimmt 50
Dollar Toll bezahlt haben, und fast die Hälfte der Zeit waren wir in Kanada, wo man gratis fährt.
Einige Örtchen, Wälder und Stunden später war es an der Zeit, sich ein Hotel zu suchen, da wir die vorgebuchte Unterkunft in Portland ja hatten sausen lassen. In den
kleinen Küstenörtchen gibt es solche nicht, jedenfalls nicht mit angemessenem Komfort, und so bot es sich an, nach
Waterville zu fahren, dem einzigen Städtchen in der Nähe. Dort fanden wir auch relativ schnell etwas Passendes. Von der netten Empfangsdame erfuhren wir, dass es viele Touristen so machen wie wir und Waterville nutzen, um
vor der Grenzüberquerung nach Kanada eine letzte Rast
einzulegen. |
Fotos:
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