Kanada
Von Waterville aus ist es zwar noch ein gutes Stück bis Kanada,
aber über die 201 und die 173 ging es flott voran. An der
Grenze gab es überhaupt keine Probleme, wenngleich sich der
Zöllner bestimmt 10 Minuten Zeit ließ, um unsere Ausweise zu
begutachten und abzustempeln. Dass man in Kanada ist, merkt man
zunächst daran, dass die Straßen zwar keine Maut mehr kosten,
dafür aber schmaler (bestenfalls zweispurig) und schlechter in
Schuss sind. Es gilt wieder das metrische System, was am Anfang
gewöhnungsbedürftig ist, denn die Geschwindigkeitsbegrenzungen
lauten jetzt wieder auf km/h, und wenn der eigene Tacho nur mph
anzeigt, kommt man kurz ins Grübeln. Die Verkehrsregeln
unterscheiden sich kaum, außer dass in Kanada an roten Ampeln
nicht rechts abgebogen werden darf - eine in den USA nahezu
überall zulässige und sehr angenehme Praxis, von der sich
Deutschland eine Scheibe abschneiden könnte. Die Häuser am
Straßenrand bestanden zunehmend wieder aus Mauerwerk, während
sie in den USA außerhalb der Großstädte (und zum großen Teil
auch in diesen) aus Holz oder Kunststoff zusammengezimmert sind.
Wer einmal die amerikanische Art, Häuser zu bauen, mit eigenen
Augen gesehen hat, den wundert nicht, dass ein Hurrikan dort
ganze Städte abtragen kann, wo bei uns bestenfalls die Keller
vollaufen und ein paar Dachpfannen herunterfallen.
Québec
Unsere erste Station hieß Québec, die Hauptstadt der
gleichnamigen kanadischen Provinz. Letztere ist riesengroß (ca.
6x so groß wie Frankreich), mit 7,5
Millionen Einwohnern aber sehr dünn besiedelt. Ich hatte
erwartet, dass wir einen Großteil der Strecke von der Grenze
bis zur Stadt Québec durch menschenleeres Gebiet zurückzulegen
hätten, aber dem war nicht so, denn alle paar Kilometer gab es
irgendwo ein Sägewerk am Waldrand, und in deren Nähe wohnen
die Arbeiter mit ihren Familien in kleinen Örtchen. Wirklich
einsam wurde es also nirgends.
Von Québec selbst hatte ich mir im Vorfeld nicht allzu viel
versprochen. Ich wusste zwar, dass die Stadt Sitz der
Provinzregierung ist und das Stadtbild eher europäisch geprägt
sein soll, hatte aber keine Ahnung, wie schön und gemütlich
die Stadt wirklich ist. Als erstes fällt auf, dass man
plötzlich auf französisch angesprochen wird. Zwar kommt man
fast überall mit Englisch durch, aber die erste Sprache im
Staat und in der Stadt Québec ist ganz eindeutig Französisch.
Überhaupt kommt man sich vor wie in Frankreich, denn in
den Läden gibt es Rotwein, Baguette und Käse, und überall
locken Cafes und Restaurants. Touristen werden mit
Pferdekutschen gemütlich durch die Stadt geschaukelt. Übrigens
ist auch das TV-Programm in Sprache und Inhalt überwiegend
französisch geprägt. US-Sender gibt es nur wenige, was für
mich die unerfreuliche Konsequenz hatte, abends kein Baseball
gucken zu können. Für Susanne unerfreulich war, dass die
Geschäfte allesamt bereits um 17.30 Uhr schlossen (!), zu einer
selbst in Deutschland undenkbar frühen Zeit also. Okay, beides
kann man aber verschmerzen.
Die Altstadt
Québec ist die älteste Stadt des ganzen Kontinents. Sie wurde
von Siedlern gegründet, die den St. Lorenz Strom hinaufkamen
und sich irgendwann an
seinen Ufern nieder ließen. Der Stadtkern ist von einer Stadtmauer
umgeben, wie sie in Europa von jeder im Mittelalter
einigermaßen bedeutsamen Stadt zum eigenen Schutz errichtet
wurde. In Nordamerika bestand in Ermangelung eines Mittelalters
aber keine derartige Notwendigkeit, sodass allein deswegen die
Mauer selbst eine Besonderheit darstellt. Überhaupt ist man auf
die Historie der Altstadt mächtig stolz, die 1985 von der UNO
zum Weltkulturerbe erhoben wurde. Dieses Ereignis wird
mit einem üppigen Monument inmitten der Altstadt gebührend
gefeiert. Bevor wir diesem einen Besuch abstatteten, machten wir
aber als erstes dem Parlament unsere Aufwartung, das in
einem schlossartigen, angeblich dem Louvre nachempfundenen
Gebäude untergebracht ist. Sehr schön. Anschließend ging es
einen kleinen Anstieg hinauf zur Zitadelle, von der es
leider wegen Umbauarbeiten so gut wie nichts zu sehen gab. Ein
kleiner Fußpatt führt von dort aus aber direkt zur Terrasse
Dufferin, dem schönsten Ort in ganz Québec. Von dieser
ähnlich einer Strandpromenade in luftiger Höhe angelegten
Terrasse aus hat man einen wunderschönen Blick auf den St.
Lorenz Strom und das Hotel Chateau Frontenac (kleines
Bild rechts), das vielleicht beeindruckendste Gebäude
überhaupt. Es erinnert mit seinen Zinnen und Türmchen mehr an
ein Landschloss als an ein Hotel. Das hervorragend konservierte
historische Gebäude (1893) erlangte Berühmtheit durch die
Konferenzen von Churchill und Roosevelt, die dort 1943 über die
Invasion in der Normandie und 1945 über das weitere Schicksal
Japans berieten.
Straßenverkehr in Kanada
Leider war unser Hotel in der Neustadt untergebracht, sodass wir
nach dieser ausgiebigen Besichtigungstour noch einige Kilometer
mit dem Auto durch den Feierabendverkehr fahren mussten. Ich
kann nur sagen, dass die Kanadier noch schlechter fahren als die
Amerikaner, wenn das noch möglich ist. Vorausschauendes Fahren
geht ihnen völlig ab. Zwar war die Hauptverkehrsstraße
zweispurig in jede Richtung ausgebaut, aber der Kanadier ist mit
der einmal gewählten Spur verwachsen. Ist bspw. rechts ein Lkw
mit Verladetätigkeiten beschäftigt, geht man nicht etwa links
herüber und vorbei, nein, man bremst scharf ab (den Lkw bemerkt
man erst im allerletzten Moment, auch wenn er drei Meilen vorher
sichtbar war) und leitet so eine Kettenreaktion ein.
Anschließend wartet man in aller Seelenruhe, bis auch das
letzte UPS-Paket ausgeliefert ist, winkt noch drei Omas über
die Straße, lässt einen Schulbus und eine Planierraupe
vorziehen und setzt sich dann hinter diesen so langsam wieder in
Bewegung, dass man die nächste Ampel auch garantiert bei rot
erwischt. Und rechts ist noch die bessere Spur, denn links steht
immer ein Linksabbieger, der nicht durch die endlose Kette von
Fahrzeugen auf der Gegenseite kommt, weil er eine Lücke von
mindestens 500m benötigt, bevor er sich anzufahren traut. Wir
befanden uns im Urlaub, hatten eine völlig stressfreie Zeit und
wirklich jede Menge Geduld und Muße, aber für diese maximal
fünf Kilometer haben wir eine halbe Ewigkeit gebraucht.
Montreal
Den
Höhepunkt in Sachen Verkehr lieferte aber Montreal. Schon auf
dem Weg dorthin regnete es, glücklicherweise zum einzigen Mal
in diesen zwei Wochen, dafür aber richtig. Die dadurch
eingeschränkte Sicht macht die Orientierung in einer fremden
Stadt nicht gerade einfacher, aber was man sich dort bei der
Beschilderung gedacht hat, wird mir ewig ein Rätsel bleiben.
Grundsätzlich gibt es überhaupt keine Schilder, und wenn, sind
sie missverständlich. Es kann vorkommen, dass man ein Ziel drei
Kreuzungen lang ausgeschildert bekommt, an der vierten hat man
dann aber nur die Wahl zwischen zwei ganz anderen Orten oder
Straßen, die zudem nirgends auf dem Stadtplan stehen. Dazu das
oben beschriebene Chaos auf den Straßen mit stop and go. Nein,
die Fahrt in die Innenstadt von Montreal war kein Vergnügen.
Die einzig sinnvolle Verkehrseinrichtung sind Uhren unter den
Fußgängerampeln,
welche die noch verbleibende Zeit zum Überqueren der Straße in
Sekunden anzeigen (links auf dem Foto unter dem Fußgänger gut
zu erkennen). Dergleichen hatte ich zuvor noch nie gesehen.
Montreal ist die größte Stadt der Provinz Québec. Sie ist
ebenso wie Québec City total französisch geprägt, was
Sprache, Straßennamen usw. angeht. Allerdings hat sie deutlich
weniger zu bieten. In jedem Reiseführer als große Attraktion
angepriesen wird die "Stadt unter der Stadt". Wegen
des harten Winters befindet sich nämlich die
Haupteinkaufsmeile, das Eaton Center, unter der
Erde, und da es wie gesagt regnete, gingen wir zuerst shoppen.
Einkaufen kann man dort in der Tat gut, aber hängen geblieben
ist bei mir in erster Linie ein riesiger, auf dem Foto rechts
völlig unzureichend eingefangener Footcourt mit Fressbuden
jeglicher Cuisine, in dem sich tausende von Menschen tummelten.
Wir trennten uns dort, weil unsere Interessen in puncto Shopping
doch recht unterschiedlich sind, und erst nach einigen Stunden
kehrten wir - ich um einige Computerspiele reicher - ins Hotel
zurück.
Basilique Notre
Dame
Das Beste an ganz Montreal ist die Basilique Notre Dame,
zu deren Besichtigung wir uns am Spätnachmittag bei endlich
trockenem Wetter noch aufrafften. Von außen (kleines Foto
links) nicht besonders auffällig, birgt die Kirche in ihrem
Inneren doch eine wunderschöne Innenarchitektur,
die wirklich ihresgleichen sucht. Obwohl wir schon eine Vielzahl
von ausgesprochen schönen Kirchen besichtigt haben und ich mit
Superlativen sehr zurückhaltend bin, würde ich so weit gehen
zu sagen, dass ich noch nie etwas schöneres von Menschenhand
Geschaffenes gesehen habe als den Altarraum dieser Kirche. Fotos
können den Glanz und die Harmonie nicht annähernd einfangen.
Dieser Besuch entschädigte allein für das schlechte Wetter,
aber auch das vielleicht leckerste Abendessen der Reise im
vorzüglichen Hotelrestaurant stimmte versöhnlich.
Am nächsten Morgen fuhren wir noch zum Mont Royal heraus,
dem größten, auf einem erloschenen Vulkan gelegenen Park
Montreals, von dem aus man einen schönen Blick auf die Stadt
haben sollte. Die Wanderwege im Park waren aber so schlecht
beschildert, dass man sich nur schlecht zurecht findet. Auch der
Stadtplan half bei den vielen verwinkelten Fußwegen nicht
weiter, und so beschlossen wir, auf eine Wanderung zu verzichten
und nur mit dem Auto zu einem Aussichtsplateau zu fahren. Da das
Wetter immer noch diesig war, lohnte sich aber auch das nicht
wirklich, wenngleich man durchaus die Stadt überblicken kann.
Aus der Skyline ragt das Olympia-Zentrum von 1976 mit
seinem großen, zum Zeitpunkt der Spiele übrigens erst halb
fertig gewordenen Turm heraus, der heute als Aussichtsplattform
dient. Wenn man nicht gerade botanisch interessiert ist, lohnt
eine Besichtigung aber nicht, denn bis auf (laut Reiseführer
allerdings sehr schöne) botanische Gärten, ein Insekten-Museum
und den "Biodome" im ehemaligen Radrennstadion gibt es
dort nichts zu sehen. Also machten wir uns umgehend aus dem
Staub, um möglichst schnell nach Ottawa zu kommen. |