Niagara
Falls
Von allen Attraktionen auf dieser Reise waren die Niagara-Fälle
vielleicht diejenige, auf die ich am Neugierigsten war. Jedes
Kind kennt sie, und für Naturwunder habe ich eine besondere
Schwäche, mehr noch als für Baukünste. Natürlich steht und
fällt ein solches Erlebnis immer mit dem Wetter, und wie an
keinem anderen Ziel unserer Reise hatte ich mir für Niagara
Falls Sonnenschein gewünscht. Ich empfinde daher eine gewisse
Dankbarkeit dafür, dass wir dort den vielleicht schönsten Tag
der ganzen Reise erwischten.
Niagara Falls ist zum einen die englische Bezeichnung der
Niagarafälle, klar, zum anderen aber auch der Name zweier
Städte, nämlich der amerikanischen Stadt auf der einen und der
kanadischen Stadt auf der anderen Seite der Fälle. Beide haben
bis auf den Namen wenig gemeinsam, denn während die kanadische
Stadt relativ schön zurecht gemacht ist und eine gewisse
Infrastruktur mit guten Hotels und aufgeräumten Straßen
aufweist, hat uns die amerikanische Seite eher an die Bronx
erinnert als an einen Touristenort. Aber dort mussten wir uns
gottlob auch nicht lange aufhalten, denn da wir ja von Kanada
aus anreisten, hatte der Reiseveranstalter schlauerweise ein
Hotel auf der kanadischen Seite vorgebucht. Glück gehabt.
Wir waren relativ früh in Toronto losgefahren und trafen so
schon gegen 10 Uhr morgens in Niagara Falls ein. Natürlich war
um diese Zeit unser Hotelzimmer noch nicht fertig, und so
machten wir uns sofort auf zu den Fällen. Als erstes hört man
sie, denn das Wasser macht doch ganz schön Lärm. Sodann fühlt
man sie, denn die Luft ist plötzlich voll von kleinsten
Wassertröpfchen, die einen schon nach kurzem Aufenthalt ganz
schön durchnässen können, wenn man sich gegen den Wind
stellt. Und dann endlich sieht man sie auch. Genau genommen gibt
es zwei Niagara-Fälle, einen auf der amerikanischen und
einen auf der kanadischen Seite. Die kanadischen Fälle tragen
auch den Namen "Horseshoe-Falls" (Bild rechts), also
"Hufeisen-Fälle", weil sie wie ein U (oder ein
Hufeisen) geformt sind. Sie sind mehr als doppelt so breit wie
die amerikanischen Fälle (675m zu 328 m) und deshalb auch
deutlich imposanter. Überhaupt kann man sagen, dass die Fälle
ihren Ruf als wohl weltbekanntester Wasserfall überhaupt nicht
aus ihrer Höhe gewinnen - diese beträgt nur knapp über 50
Meter - sondern wegen der Wassermassen, die hier über
die Klippen gehen. Die örtlichen Kraftwerke filtern allerdings
seit der 50er Jahren ca. 3/4 des Wassers ab, bevor es die Fälle
überhaupt erreicht. Wie muss der Anblick erst gewirkt haben,
als noch über 7.000 Kubikmeter statt der jetzt 2.800
Kubikmeter pro Sekunde in das Auffangbecken hinabstürzten! Aber gut, es ist noch immer
genug, um die Fälle zu einem Erlebnis zu machen.
Attraktionen vor Ort
Natürlich wird der Tourist nicht nur mit dem Betrachten der
Fälle abgespeist, denn daran kann man ja nichts verdienen.
Vielmehr gibt es um die Fälle herum eine Vielzahl von
Attraktionen. Wir haben uns zunächst für die "Journey
behind the Falls" entschieden, die den Besucher gegen
eine geringe Gebühr in einen Stollen führt, der unmittelbar
hinter den kanadischen Fällen endet. Eine sehr feuchte
Angelegenheit, allerdings hat man mit einigem Geschick die
Chance, die Fälle einmal von unten bzw. von der Seite zu sehen
und zu fotografieren, wenn man denn das Kunststück fertig
bringt, die Kamera trocken zu halten. Direkt hinter den Fällen
rauscht allerdings nur eine weiße Wand aus Wasser vor einem
herunter. Besser sehen kann man in einem Seitenstollen, der
unmittelbar neben den Fällen endet. Wieder oben angekommen,
kann man sich im Visitor Center
stärken und ein Museum besuchen, dass über die Fälle
und das Drumherum informiert. Besonders spannend finde ich die
Geschichten der Irren, die mit Fässern und dgl. versuchen, sich
die Fälle herunter zu stürzen. Warum macht man so etwas?
Dass dergleichen seit Generationen streng verboten ist, hat
offenbar noch keinen Verrückten abgehalten. 1886 versuchte es
der erste in einer Tonne (überlebt), 1995 der bisher letzte,
der mit einem Jetski über die Kante jagte (tot).
Wenn man sich den Fällen unbedingt von der Wasserseite aus
nähern will, dann sollte man dies nicht von oben, sondern von
unter aus in Angriff nehmen. Unter der Bezeichnung "Maid
of the Mist" (kleines Bild links, vor den
amerikanischen Fällen) fahren nämlich im
Viertelstundentakt insgesamt 4 Schiffe, zwei von der
amerikanischen und zwei von der kanadischen Seite aus, an den
amerikanischen Fällen vorbei und bis auf wenige Meter an die
kanadischen Fälle heran. Die Bootsgäste bekommen alle einen blauen
Poncho übergestreift, aber trotzdem übersteht man diesen
Trip nicht, ohne völlig durchnässt zu werden, jedenfalls dann
nicht, wenn man (wie wir) unbedingt an der Bugspitze des
Schiffes stehen muss, um die beste Sicht zu haben. Ein tolles
Erlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Selten hat
es mir so viel Spaß gemacht, in voller Montur pitschnass zu
werden. Erstaunlicherweise sind mir vom Schiff aus einige sehr
gute Fotos gelungen, obwohl ich dachte, die allgegenwärtige
Gischt hätte dies vereitelt. Es kommt also auf einen Versuch
an.
Im Reiseführer hatten wir übrigens gelesen, dass man sich für
die Bootstour z.T. über 2 Stunden anstellen muss, dass aber die
Schiffe auf der amerikanischen
Seite deutlich weniger ausgelastet seien. Wir beschlossen daher,
auf die US-Seite herüberzugehen, was über die Rainbow-Bridge
bequem möglich ist. Selbige bildet also den Grenzübergang, und
man darf seine Reisepässe nicht vergessen. Die Kontrollen
halten sich aber in Grenzen, denn die Zöllner haben einen
sicheren Blick dafür, wer harmloser Touri ist und wer nicht.
Von der Rainbow Bridge aus hat man auch die beste Gelegenheit,
einmal beide Fälle auf einen Blick zu sehen und zu
fotografieren. Die US-Seite hat noch den weiteren
Vorteil, dass es dort einen Aussichtsturm gibt, der im
Preis für die Bootstour enthalten ist und ebenfalls einen
schönen Ausblick bietet, besonders natürlich auf die
amerikanischen Fälle, von denen er nur wenige Meter entfernt
ist. Warten mussten wir übrigens nirgends, wenngleich man
deutlich sehen konnte, dass die Attraktionen noch für ganz
andere Kapazitäten ausgelegt waren. Die amerikanischen Ferien
waren gerade zu ende, und das hat sicher sehr geholfen. Deswegen
haben wir auch die Kommerzialisierung der Fälle, welche die
Reiseführer übereinstimmend anprangerten, nicht so negativ
empfunden.
Am späten Abend kehrten wir noch einmal an die Fälle zurück,
weil sie in der Dunkelheit in wechselnden Farben angestrahlt
werden. Ein schöner Anblick, der den nochmaligen Fußmarsch vom
Hotel durchaus wert war, wenngleich wir ein Hotelzimmer hatten,
das einen wunderschönen Ausblick über die Fälle bot! Es ist
natürlich genial, gemütlich auf dem Zimmer zu sitzen und den
Blick über die Niagara-Fälle schweifen zu lassen, während im
Hintergrund die Sonne untergeht. Ein bisschen Romantik ist also
durchaus dabei. Die hervorragende Aussicht vom Hotel aus war
übrigens auch der Grund, warum wir weder den Minolta-Tower
noch den Skylon-Tower (kleines Bild rechts) bestiegen
haben, die ansonsten mit dem besten Ausblick auf die Fälle
werben.
Fahrt nach Williamsport
Am nächsten Tag wollten wir eigentlich noch ein kleines Stück
den Niagara River entlang fahren, um zum sogen.
"Whirlpool" zu gelangen, den flussaufwärts gelegenen
Stromschnellen. Es war jedoch über Nacht so nebelig geworden,
dass man kaum die Hand vor Augen sehen konnte, und der Nebel
hielt sich hartnäckig. Wir hatten durchaus Mitleid mit der
japanischen Reisegruppe, die bei unserer Abfahrt gerade ankam
und nun nach einigen tausend Kilometern Anreise die Fälle nicht
einmal sehen konnte, weil es in der Tat so neblig war, dass
diese schlich und einfach im Dunst verschwunden waren. Wir
hatten also Riesenglück, das wir nicht auch einen Tag später
angekommen sind. So motivierte uns das Wetter, schleunigst zum
zweiten und letzten Mal über die Rainbow Bridge in die USA
überzusetzen und zu unserer nächsten Station nach Williamsport
zu reisen.
Die Strecke von gut 450 km, die längste Distanz der ganzen
Rundreise, bewältigten wir ohne große Verzögerungen. Mit
einer Ausnahme. Ich fahre in den USA immer ca. 10 Meilen
schneller als erlaubt, weil man einfach verrückt wird, wenn man
auf einer vierspurigen, mehr oder minder unbefahrenen Straße in
der Wildnis mit 55 Meilen (90 km/h) dahin schleichen muss.
Maximal sind mal 65 erlaubt. Eine solche Fahrweise geht solange
gut, wie man im Verkehr mitschwimmt, denn die Amerikaner machen
es genauso, und nach meinem Eindruck werden aus dem fließenden
Verkehr nur die wirklichen Raser heraus gewunken, die mit
waghalsigen Spurwechseln durch die Gegend heizen. Nur hatten wir
ungefähr zwischen Dansville und Bath das Pech, dass es keinen
Verkehr zum Mitfließen gab, und prompt stand hinter einem
Hügel versteckt ein State Trooper (genau wie im Bild
links, Quelle: Internet), der sich hinter uns -
dem einzigen Auto weit und breit - in Bewegung setzte und sein
Blaulicht anschaltete. Er überholte jedoch nicht, hatte auch
die Sirene nicht an und es blinkte auch kein "Bitte
Folgen"-Schild o.ä. auf. Was also tun? Ich habe
sicherheitshalber sofort angehalten, und das war genau richtig.
Aus dem Reiseführer wusste ich
dann:
Fenster 'runter und beide Hände auf das Lenkrad! Auch das war
genau richtig. Der Polizist war überraschend freundlich, wollte
nur kurz meinen Führerschein sehen, entnahm diesem dass ich
Deutscher bin, wies mich darauf hin, dass ich zuhause zwar ohne
Geschwindigkeitsbeschränkung fahren könne (davon hatte er also
gehört), hier aber in den USA sei, und wenn da "65 mph"
stehe, dürfe ich nicht einfach 81 mph fahren! Offenbar hatte er
also meine Geschwindigkeit gemessen, und offenbar war ich nicht
10, sondern 16 Meilen zu schnell. Das sind in etwa 25 km/h, also
kein Pappenstil. Ich dachte sofort: "Wenn das hier mit 100
Dollar abgeht, bist Du zufrieden", denn man befürchtet in
einer derartigen Situation natürlich sofort das Schlimmste:
Fleppe weg, Gerichtsverhandlung, am besten noch Knast und
Kaution am nächsten Tag. Aber - nichts dergleichen. "Slow
down, eh!" sagte er, gab mir den Führerschein zurück und
fuhr wieder in sein Versteck hinter dem Hügel. Mehr Glück
als Verstand! Der Schreck
saß mir danach noch so in den Knochen, dass ich ein gutes
Stück lang tatsächlich maximal 60 gefahren bin, und das war
wieder Glück, denn keine drei Meilen weiter stand der nächste
State Trooper, und ich gehe jede Wette ein, dass der von seinem
Kollegen verständigt worden ist, doch mal besonders auf einen
gelben Mustang zu achten, der soeben seine zweite Chance
bekommen hat.
Williamsport
In Williamsport angekommen stellten wir schnell fest, warum der
Ort in unserem Reiseführer nicht erwähnt wurde - es gibt dort
nichts zu sehen! Da das Wetter aber zwischenzeitlich wieder von
Nebel auf Sonnenschein umgeschlagen war, beschlossen wir, uns
noch einmal ein Kanu zu mieten. Tatsächlich gab es auch eine
Kanu-Vermietung und einen Fluss, aber leider nicht beides
zusammen! Meine Frage, ob ich ein Kanu mieten könne, wurde mit
der Gegenfrage beantwortet, welches Auto ich fahre. Es stellte
sich heraus, dass wir das Kanu erst noch per Dachgepäckträger
oder Anhänger zum Fluss hätten transportieren müssen - und
das ist bei einem Cabrio ganz, ganz schlecht. Typisch
amerikanisch war dann die fast schon aufdringliche
Hilfsbereitschaft der Dame vor Ort, die sich nicht scheute, noch
eine andere Kanu-Vermietung anzurufen, die zwar einige Meilen
entfernt, dafür aber am Fluss lag. Von dort aus kam jedoch die
klare Ansage, dass der Fluss 6 Fuß Hochwasser habe und daher
heute keine Kanus ausgegeben würden. Dann eben nicht. |