Von Fort
William nach Mallaig
Die "Road to the Isles", offiziell die A 830,
beginnt nördlich von
Fort William und führt über geschätzte 50km
zum kleinen Fischerdörfchen Mallaig. Es handelt sich um
eine Panoramastrecke par excellance, die alles zu bieten hat,
was das Auge erfreut: Berge, Seen, Wälder. Am besten lässt
sich die Strecke vielleicht mit einem schönen Alpenpass
vergleichen, etwa der
Roßfeldstraße:
Die A 830 ist in etwa genauso gut oder schlecht ausgebaut, d.h.
grds. zweispurig ohne Randstreifen, an manchen Stellen
(Brücken, Bahnunterführungen) jedoch nur einspurig. Sie ist
ebenso kurvig, so dass einem die 50 km deutlich länger
vorkommen, selbstverständlich jedoch längst nicht so hoch. Die
"Road to the Isles" ist darüber hinaus weitaus
weniger frequentiert als die populären Alpenpässe. Mann kann
meilenweit fahren, ohne ein anderes Fahrzeug zu sehen. Hat man
aber einmal einen Lkw oder ein Wohnmobil vor sich, wird es mit
dem Überholen echt problematisch. Solche Fahrzeuge ziehen oft
Schlangen von 10, 15 Pkw hinter sich her. Ich bin zweimal in
eine solche geraten und habe dann einfach eine Pause gemacht,
wobei auch das nicht so leicht ist, weil man erst einmal auf
eine einmündende Seitenstraße oder eine Haltebucht warten
muss. Die in den USA sehr beliebten "Viewpoints"
entlang von Panoramastraßen oder Sehenswürdigkeiten gibt es in
Schottland nicht, jedenfalls habe ich keine gesehen.
Neptune's Staircase
Die erste kleinere Sehenswürdigkeit entlang der Strecke ist die
Schleuse in dem kleinen Dorf
Banavie, die dramatisch "Neptune's Staircase"
getauft wurde. Acht Staustufen sind kurz hintereinander
angeordnet. Mich hat die Szenerie sehr an die Schleuse in Ottawa
erinnert, die auch acht Staustufen hat, wobei die dortige
Schleuse bei weitem steiler und daher leichter zu fotografieren
war. Es gibt m.E. kaum ein problematischeres Motiv als eine
flache, mehrstufige Schleuse.
Bonnie Prince Charlie
Auf halber Strecke nach Mallaig liegt dann Glenfinnan, wo
ich mit dem vierten und letzten großen schottischen
Freiheitskämpfer Bekanntschaft machte:
Prinz Charles Edward Stuart (Bild), von den Schotten
damals wie heute nur liebevoll "Bonnie Prince Charlie"
genannt, weil er ein
so einnehmendes Wesen gehabt haben soll. Ein Zeitgenosse empfahl
einem Freund einmal, mit Charlie nur per Brief zu verkehren,
denn "wenn Du ihn einmal von Angesicht zu Angesicht
gesprochen hast, machst Du anschließend was er will, nicht was
Du willst".
Besagter Bonnie Prince Charlie, legitimer Nachfolger des
letzten, von den Engländern abgesetzten schottischen Königs,
wurde 1720 im römischen Exil geboren. 1745 setzte er heimlich
nach Schottland über, um seinen Thron zurück zu erobern. Dank
des oben beschriebenen einnehmenden Wesens gelang es ihm in
kurzer Zeit, alle Clans hinter sich zu bringen. Mit 5000 Mann
Fußvolk und 600 Reitern zog er aus den Highlands südwärts gen
London. Dabei eilte er von Sieg zu Sieg. Wie viele andere
Feldherren vor und nach ihm bekam er jedoch ausgerechnet vor der
Hauptstadt des Feindes kalte Füße und zog sich in die
Highlands zurück, obwohl London praktisch ohne Verteidigung
war. Es war der verhängnisvollste Fehler in der schottischen
Geschichte, denn er gab den Engländern Zeit, sich zu
reorganisieren. Mit frischen Kräften zog sodann der
fettleibige, grausame
Herzog von Cumberland gen Norden, wo er bei Culloden
die schottischen Truppen zum Kampf stellte. Gut gegen Böse.
Nur: Das Böse gewann, und zwar auf der ganzen Linie. Der Herzog
befahl keine Gefangenen zu machen, und so wurde alles
niedergemetzelt was sich bewegte. Bonnie Prince Charlie konnte
mit knapper Not entkommen und sich nach einer Flucht, die
mindestens einen weiteren Hollywoodstreifen wert wäre,
schließlich über Frankreich nach Rom absetzen. Dort lebte er
noch weitere 42 Jahre im Exil, bevor er als Trinker endete.
Seine schottischen Landsleute hatten weniger Glück: Nach
Culloden zog der Herzog von Cumberland brandschatzend durch die
Highlands, wobei er ganze Clans ausrottete. Die Engländer
verboten anschließend alle Clans, ja sogar Kilt und Dudelsack,
um die Schotten ein für allemal gefügig zu machen. Sie
erreichten - wie immer bei solchen Maßnahmen - genau das
Gegenteil, denn bis heute ist der Nationalstolz der Schotten im
Übermaß vorhanden. Eine weitere militärische Erhebung gegen
England hat es aber nie wieder gegeben, und da weder Napoleon
noch Hitler den Sprung auf die Insel wagten, ist Culloden 1746
bis heute die letzte Schlacht auf britischem Boden geblieben.
In Glenfinnan markiert nun ein Denkmal den Platz, an
dem Bonnie Prince Charlie seine Standarte in den Boden gerammt
haben soll, als er vom Festland aus herüberkam. Über 1000
Highlander sollen ihn begrüßt haben, es muss ein gewaltiger
Anblick gewesen sein. Das Denkmal gibt vor dem Hintergrund des
Loch Sheil und der umliegenden Berge ein phantastisches
Bild ab. Leider war es den ganzen Tag zwar trocken, aber auch
vollkommen bedeckt, so dass die Fotos nicht so wirken, wie es
bei Sonnenschein sicherlich der Fall wäre. Will man es positiv
sehen, hatten die Wolken aber den Vorteil, dass ich die
Landschaft so einfangen konnte, wie sie sich an 9 von 10 Tagen
tatsächlich darstellt, nämlich grau-grün.
Jacobite
Den Weg nach Mallaig kreuzt zahlreiche Male eine Eisenbahnlinie,
auf der neben dem regulären Schienenverkehr 1x täglich auch
eine alte
Dampflok verkehrt, die den Namen "Jacobite"
trägt. Ich hatte das unverschämte Glück, diese mehrmals in
voller Fahrt bewundern zu
können, u.a. bei der Einfahrt in den Sackbahnhof von Mallaig.
Ich bin wahrlich kein Einsenbahnfan, aber diese alten
Lokomotiven haben eine magische Anziehungskraft.
Mallaig
Mallaig selbst ist ein Fischereiort, der mit vielen kleinen
Andenkenläden stark auf Touristen ausgerichtet ist. Im Hafen
liegen einige Kutter, denen man die Jahre auf der rauhen See
ansieht. Es riecht nach Fisch und Motoröl. Das in den
Reiseführern gelobte Aquarium sah von außen so klein aus, dass
ich mir den Eintritt gespart habe. Vielleicht bin ich
diesbezüglich
etwas verwöhnt.
Kurz vor Mallaig lohnt bei besserem Wetter sicher ein Abstecher
nach
Morar, wo die "Silver Sands" zum baden
und verweilen einladen. Bei dieser Gelegenheit noch ein Wort zum
Wetter: In wirklich jedem Reiseführer liest man zwei
Weisheiten, die ich nur bestätigen kann:
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1. Schotten sind keine Engländer.
2. Niemand kommt wegen des Wetters nach Schottland. |
Wer Punkt 1 nicht verinnerlicht, überlebt
die Reise nicht. Zu Punkt 2 kann ich nur sagen, dass man sich vor
der Reise klarmachen sollte, dass es nicht nach Hawaii geht. Wer
sich in Schottland über das Wetter beschwert, hat m.E. schon
den Fehler gemacht, überhaupt gekommen zu sein.
Prince's Cairn
Erst auf der Rückfahrt nach Fort William fiel mir übrigens
eine letzte Sehenswürdigkeit auf: Ein verschwindend kleines
Schild am Straßenrand wies auf einen schmalen Weg hin, der nach
ca. 100 m zu einem pyramidenartigen Gedenkstein führt. Dieser
markiert die Stelle, an der Bonnie Prince Charlie am
Ende seiner Flucht Schottland für immer verließ, fast genau
ein Jahr nachdem er gekommen war. Steinhaufen wie diese heißen
hier übrigens "Cairn", und ihr Ursprung ist
recht interessant: Vor einer Schlacht legten alle Highlander
einen Stein auf einen Haufen. Am Ende der Schlacht nahmen alle
Überlebenden wieder einen Stein herunter. Mit den liegen
gebliebenen Steinen konnte man so die Zahl der Toten ermitteln.
Fahrt nach Tarbert
Das Ende des Tages markierte die lange Fahrt gen Süden an der
Westküste Schottlands entlang nach Tarbert, wo ich im
spektakulären "Stonefield Castle" die letzten
zwei Nächte dieses Ausflugs zubringen wollte. Die Strecke war
mindestens ebenso schön wie die "Road to the Isles"
selbst. Zunächst entlang des
Loch Linnhe auf der A 82, dann durch die Berge auf der
A 85 nach Oban, und schließlich durch noch mehr Berge die ganze
A 816 herunter nach
Tarbert, das letzte Stück schon parallel zum Loch Fyne,
an dem Tarbert liegt. Man hätte auf dieser Strecke noch einige
Abstecher machen können, mindestens einen (den zu den
"Standing Stones") eigentlich sogar machen müssen,
aber ich war nach dem ganzen Programm zu kaputt und wollte
ankommen, ohne dass die Fahrt noch in Stress ausartete.
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