Kintyre Peninsula
Auf der letzten Etappe der Reise stand nun der Ausflug zum Mull of Kintyre an, der ja den eigentlichen Anlass für die ganze Schottlandreise bildete. Kintyre ist eine Halbinsel. Als Mull of Kintyre wird ihr südwestlichster Zipfel bezeichnet, wo die Klippen ca. 300 Fuß senkrecht zum Meer hinab führen. Am Fuße der Klippen, unmittelbar an der Küste des Atlantiks, steht seit 1788 ein Leuchtturm, der 1996 (aus touristischer Sicht muss man sagen leider) komplett erneuert und automatisiert wurde. Ein Grund dafür war offensichtlich, dass in dem hier ständig auftretenden Nebel bis heute immer wieder Flugzeuge an den Klippen zerschellen, zuletzt 1994. 

Kintyre kann man entlang der Westküste auf der A 83 oder entlang der Ostküste auf kleineren Landstraßen befahren. Beide Routen führen direkt am Meer entlang und bieten spektakuläre Aussichten. Ich entschied mich für die A 83, die, wie sich herausstellen sollte, völlig zu Recht als sehr gut befahrbar und abwechslungsreich beschrieben wurde. 

Tarbert
Von "Stonefield Castle" aus ist es nur eine knappe Meile bis nach Tarbert, und ich muss sagen, dass mich der Ort positiv überrascht hat. Ich hatte nicht viel mehr als ein paar Häuser erwartet, aber Tarbert ist ein kleines Städtchen mit einem recht großen Hafen und allem, was man zum Leben braucht. Es gibt einige Kirchen, wobei die schönste von ihnen (Bild) keinen Vergleich mit anderen Kirchen auf Kintyre scheuen muss.

Campbeltown
Von Tarbert aus sind es noch knappe 40 Meilen bis Campbeltown, dem Zentralort der Insel. Campbeltown ist noch einmal ungleich größer als Tarbet und verfügt dementsprechend über noch mehr Infrastruktur. Sogar eine Library gibt es, in deren Garten die Gemeinde ein Denkmal zu Ehren von Linda McCartney aufgestellt hat, die sich mit ihrem sozialem Engagement in Form von Spenden, aber auch mit ihren Fotos von Land und Leuten um Kintyre verdient gemacht hat. Sir Paul McCartney persönlich spendierte das Denkmal, die Gartenanlage drumherum wurde durch Spenden finanziert. 

In der Library gab es für Mitglieder gratis Internet, und da ich nach mittlerweile vier Tagen ohne Webzugang so einige Informationen abzurufen hatte (Schalke hat Ailton verkauft!), bin ich nun stolzes Mitglied Nr. 12748 des "Argyll & Bute Council Library & Information Service".

Mull of Kintyre
Hinter Campbeltown hört die Zivilisation auf. Es gibt nur noch eine schmale Landstraße nach Southend, dem letzten bewohnten Fleckchen auf Kintyre, wo neben einer Wohnwagensiedlung vielleicht noch 15 Häuser stehen. Kurz vor Southend geht ein noch schmalerer Weg zum Mull of Kintyre ab. Ich muss sagen, die Strecke war schon ein kleines Abenteuer. Man muss sich vor Augen führen, dass man dort ganz allein in einer gottverlassenen Gegend ist. Die Straße ist fürchterlich schmal, fürchterlich steil, fürchterlich schlecht und immerhin 7 Meilen lang. Eine Autopanne oder ein Fahrfehler, und man hat ein echtes Problem. Glücklicherweise passierte mir weder das eine noch das andere. 

Im Reiseführer stand übrigens, dass es auf diesen "Single Track Roads" (Bild), wo Fahrzeuge sich nur alle paar hundert Meter an speziellen Ausweichbuchten passieren können, 3 Stufen fahrerischen Könnens gibt: Ohne zurückzusetzen, ohne anzuhalten, ohne zu bremsen. Ohne zu bremsen halte ich zumindest auf dieser Strecke für völlig unmöglich, dafür sind die Kurven viel zu eng. Ohne anzuhalten kann man durchkommen, aber dann darf einem auch keiner plötzlich entgegenkommen. Zurücksetzen musste ich nicht, aber auch dazu gehört mehr Glück als Verstand, denn wenn man gerade ein steiles Stück bergab fährt und unten kommt aus der Kurve jemand bergauf, ist es so weit.

Einige hundert Meter vor dem Ende der Straße setzte plötzlich dichter Nebel ein, ganz wie von Paul McCartney beschrieben:

Mull of Kintyre
Oh mist rolling in from the sea
My desire is always to be here
Oh Mull of Kintyre

Ich konnte es kaum glauben. Den ganzen Tag war es zwar wiederum bewölkt, aber von Nebel keine Spur. Und jetzt sollte er mir ausgerechnet hier die Aussicht verbauen? Das konnte doch nicht wahr sein. Und es kam auch anders. Doch der Reihe nach: Am Ende der Straße gibt es unmittelbar vor den Klippen einen kleinen Parkplatz, wo schon zwei andere Autos standen. Eine freundliche Dame erklärte sich spontan bereit, ein Foto von mir am "Gipfelkreuz" zu schießen, das eigentlich kein Kreuz, sondern ein Holzschild war. Bemerkenswert: Neben dem Hinweis, dass man nun den legendären Mull of Kintyre erreicht habe, wurde dem Leser explizit dazu gratuliert, den beschwerlichen Weg hierher bewältigt zu haben!

Der Leuchtturm
Das eigentliche Abenteuer kam aber erst noch. Man kann nämlich über einen kleinen Fußpfad die Klippen zum Leuchtturm hinabsteigen. Trotz des Nebels wagte ich den gut 1,5 Meilen langen, steilen Abstieg. Und ich wurde belohnt, denn schon nach wenigen hundert Metern war ich unter dem Nebel durch, und plötzlich hatte ich freie Sicht auf die Klippen, die Küste, den Atlantik und den Leuchtturm zu meinen Füßen. Grandios! Unterwegs kommt man an einem Cairn vorbei, der an die Opfer des Unglücks von 1994 erinnert und gleichzeitig die Stelle markiert, wo der vollbesetzte Militärhubschrauber gegen die Klippen prallte und alle Insassen ums Leben kamen.

Natürlich habe ich den ganzen Abstieg bewältigt - Ehrensache, wenn man schon einmal da ist. Keine Menschenseele weit und breit, aber immer wieder liefen mir Schafe über den Weg, wie ich überhaupt sagen muss, dass ich nirgends in Schottland mehr Schafe gesehen habe als auf Kintyre. Unten angekommen kann man nicht ganz bis zum Leuchtturm gehen, weil dieser eben noch seinen Dienst tut und daher vor neugierigen Besuchern durch eine Absperrung gesichert ist. Den besten Blick auf den Mull hat man ohnehin von oben, wenn man auf den Klippen steht - unterhalb des Nebels natürlich.

Den Anstieg zurück habe ich übrigens total unterschätzt. Ich war klatschnass geschwitzt, als ich wieder oben ankam, und ich musste mehrmals eine Pause einlegen. Hätte nie gedacht, dass das Klettern so viel Kraft kostet. Nur gut, dass einen der landeinwärts kräftig (aber nicht unangenehm) blasende Wind ein wenig unterstützte.

Abschließend habe ich noch einen Schlenker nach Southend gemacht, in Campbeltown im örtlichen coop-Markt (coop ist bei uns ja komplett ausgestorben, in Schottland jedoch allgegenwärtig) eingekauft und bin schnurstracks wieder nach Stonefield Castle zurückgefahren. 
 




Friedhof entlang der A 83 auf Kintyre.



Die Bücherei von Campbeltown.



Denkmal von Linda McCartney im Garten der Library in Campbeltown.



Impression vom Anstieg zum Mull of Kintyre.



One happy camper.



Der Leuchtturm am Mull of Kintyre von oben und aus der Nähe.






Strand von Southend.