Südamerika ist groß. 400 Millionen Menschen leben dort in 13 Staaten (ohne Inseln) auf einer Fläche von 17.843.000 km². Allein deshalb schon wäre es anmaßend zu behaupten, in knapp drei Wochen den ganzen Kontinent bereist zu haben. Wenn ich also von unserer "Südamerikareise" spreche, dann meine ich damit lediglich eine Rundreise durch vier der wichtigsten Länder des Kontinents - Peru, Bolivien, Argentinien und Brasilien - zu touristisch interessanten Zielen wie Machu Picchu, dem Titicacasee oder Rio de Janeiro. Einen ersten Einblick in das Leben auf diesem Kontinent gewinnen und einige Sehenswürdigkeiten besichtigen wollten wir, nicht mehr und nicht weniger. Bei Gefallen könnte man sicherlich an den einen oder anderen Ort einmal für Länger zurückkehren, so der Plan.

Reisezeit
Die Reisezeit festzulegen war übrigens gar nicht einfach, denn das Klima in Südamerika ist sehr komplex. Herrscht hier Sonnenschein, steht dort ein Regenmonat an. Klar bei der Größe des Kontinents. Wir haben die Sache pragmatisch gelöst und uns für jeden wichtigen Ort auf unserer Route eine Liste mit dem Jahresmittel an Sonnen- und Regentagen gemacht und dann verglichen. Ergebnis: Im September - zu Frühlingsanfang - gibt es im Schnitt die meiste Sonne und den wenigsten Regen.

Iberia, wir danken Dir
Eines war auch sofort klar: Die Anreise würde beschwerlich werden. Die Fluglinie konnten wir uns nicht aussuchen, denn unser Reiseveranstalter (Meiers Weltreisen) arbeitet für Südamerika nur mit Iberia zusammen, und über Iberia hatten wir im Vorfeld wenig Gutes gehört. Es fing schon einmal damit an, dass Iberia immer nur über Madrid fliegt, und das auch nicht ab Münster, sondern nur ab Düsseldorf, und zwar morgens um sieben Uhr. Also hieß es gegen 4.30 Uhr Aufstehen, Anziehen und nach Düsseldorf fahren. Am Flughafen angekommen fanden wir auf der großen Anzeigetafel auch rasch unseren Flug - hinter dem das kleine Wörtchen "cancelled" aufblinkte! Nicht zu fassen, ca. sechzig Flüge auf der Tafel, und genau einer - unserer! - war gestrichen. Angeblich streikten die Fluglotsen in Frankreich, sodass Iberia sich außerstande sah, von Düsseldorf nach Madrid zu fliegen. Gut, Lufthansa, KLM und einige andere Fluglinien flogen ohne Probleme zum selben Ziel, aber was nutzte uns das? Nach zwei Stunden in der Warteschlange (ein Schalter für 250 Leute) wurden wir schließlich auf einen Abendflug umgebucht, was nichts anderes hieß als zwölf Stunden Verspätung! So hatten wir uns den Reiseauftakt wirklich nicht vorgestellt.

Aber - großes ABER - ein Gutes hatte die Sache doch: Der Abendflug Düsseldorf - Madrid - Lima war bereits so voll, dass man uns ein Upgrade in die Business Class geben musste! Und das war wirklich genial, denn man konnte die Sitze zu einem richtigen Bett ausklappen, und wir haben die zehn Stunden Flug nach Lima praktisch durchgeschlafen. Überhaupt kein Vergleich zu dem Legehennen-Feeling in der Holzklasse. Und für die Wartezeit in Düsseldorf haben wir uns ein Tageshotel genommen, in dem es sich auch aushalten ließ. Deshalb kamen wir trotz allem recht ausgeruht in Lima an.


 

Im Rahmen einer Stadtrundfahrt hatten wir Gelegenheit, die Hauptstadt Perus etwas genauer kennen zu lernen. Was sofort auffällt: Lima ist eine Stadt mit erheblichen Verkehrsproblemen. Für die neun Millionen Einwohner gibt es keine U-Bahn, und da immer mehr Menschen sich ein altes Auto leisten können, sind die Straßen notorisch verstopft. Einen Katalysator hat natürlich keiner, sodass ständig eine Smoghaube über der Stadt liegt. Soziale Probleme kommen hinzu, ca. drei Millionen leben in den Elendsvierteln (Favelas) am Stadtrand (Bild oben).

Über José und Francisco
Allerdings hat Lima auch seine schönen Ecken, z.B. den Plaza San Martín. Von General José de San Martín (1778-1850) hatte ich zuvor noch nie gehört, in Südamerika kennt ihn aber jedes Kind, weil er zusammen mit Simón Bolívar als Befreier des Kontinents von der spanischen Kolonialherrschaft gilt. Deshalb verfügt auch jede halbwegs Ernst zu nehmende Stadt in Südamerika über ein Denkmal zu seinen Ehren, meistens - wie hier - zu Pferd.

 

Mit seinem Freiheitskampf beendete San Martín am 28. Juli 1821 die spanische Hegemonie in Peru, die seit 1533 bestand, als der Spanier Francisco Pizarro (1478-1541) die Inka vernichtend schlug. Obwohl Pizarro als Besatzer nach Peru kam, sein Vorgehen gegen die Inka nicht gerade als zimperlich bezeichnet werden kann und 300 Jahre spanische Kolonialherrschaft für Peru sicher nicht immer lustig waren, haben die Peruaner doch zumindest ein ambivalentes Verhältnis zu Pizarro. Immerhin etablierte er eine gewisse Ordnung (zuvor herrschte Bürgerkrieg unter den Inka und Unfrieden zwischen den Inka und anderen Völkern), gründete viele bedeutende Städte (darunter die Hauptstadt Lima, 1535) und führte den katholischen Glauben ein, dem bis heute 85% der Peruaner anhängen. In der Kathedrale am Plaza de Armas hat man ihm daher eine ehrenvolle Ruhestätte zugestanden. Das Bild unten zeigt jenen Plaza de Armas, von der Kathedrale aus aufgenommen, mit dem Regierungssitz rechts im Bild.
 

Die Kathedrale (Bild unten links) ist übrigens nicht nur wegen Pizarro interessant, sondern auch wegen ihrer Bauweise. Obwohl die Pfeiler und Bögen in ihrem Innern massiv aussehen, sind sie tatsächlich aus Holz (Bild unten rechts)! Was zur Zeit ihrer Errichtung (1535-1625) aus der Not geboren wurde, erwies sich im Laufe der Jahre als Segen, denn Holz ist dehnbar und damit gut gegen Erdbeben. Und das ist wichtig im Lima, wo es kaum ein historisches Gebäude gibt, das nicht irgendwann durch ein Erdbeben beschädigt wurde. Nicht ganz zufällig fanden wir auch in unserem Hotel Hinweisschilder wie "In case of fire or earthquake don't use elevator".
 

Völker, Religionen und Kulturen
Mit der Kolonialisierung Südamerikas verfolgten die Spanier zwei Ziele: Zum einen natürlich die Ausbeutung der Rohstoffe, zum anderen aber auch die Verbreitung des katholischen Glaubens. In Peru finden sich deshalb überall repräsentative Kirchen, Klöster und Kapellen, von denen wir exemplarisch zwei besichtigten, eine Dominikanerkirche (in rosa) und die von Tauben belagerte, gelbe Iglesia de San Francisco. Lohnend war auch der Besuch eines Kunstmuseums, das einen Einblick in die Zeit der Ureinwohner Perus vermittelte. Interessant zu erfahren war, dass es schon vor den Inka zahlreiche Kulturvölker gab, z.B. die Chimu und die Chanka (ca. 1300 -1400), welche in künstlerischen Dingen sogar weitaus bewanderter waren als die Inka (ca. 1400-1533), deren Gefäße und Skulpturen vergleichsweise schlicht gearbeitet waren.
 

Sicherlich hätte man noch zwei Wochen in Lima bleiben können und hätte noch nicht alles gesehen, aber am Ende dieses Tages hatten wir doch den Eindruck, einen ganz guten Überblick über die Gegenwart, Kolonial- und Inkazeit gewonnen zu haben. Dazu muss man u.E. nicht jede Kirche sehen und auch nicht bei jeder Reiterstatue wissen, wer denn da auf dem Pferd sitzt.


Am nächsten Morgen hieß es früh aufstehen, denn schon um 6.30 Uhr ging der Flieger von Lima über Cusco nach Puerto Maldonado, einer kleinen Stadt (50.000 Einwohner) mitten im Amazonasdschungel. Sie ist nach dem Entdecker Faustino Maldonado benannt, der - kein gutes Omen - 1860 eine Expedition in den Urwald startete und bis heute nicht wieder aufgetaucht ist. Ein erster Blick auf die örtlichen Transportmittel ließ auch uns daran zweifeln, ob wir jemals zurückkehren würden:
 

Das obige Bild ist kein Zufall: Die Straßen in Puerto Maldonado sind tatsächlich so schlecht, dass man eigentlich nur ein Trial-Motorrad fahren kann. Der hier zu sehende Asphalt ist übrigens den Hauptstraßen vorbehalten, ansonsten herrscht Schotter vor. Das Leben im Ort spielt sich am Madre de Dios ab, reger Fähr- und Warenverkehr war zu beobachten.
 

Auch wir waren auf den Transport per Boot angewiesen, um zu unserer Unterkunft zu gelangen, denn zur Corto Maltes Lodge, die dreißig Minuten flussabwärts liegt, führt keine Straße. Dort angekommen merkt man erst, was Urwald wirklich heißt: 35 Grad, 99% Luftfeuchtigkeit und Moskitos ohne Ende. Zum Glück hatten wir ein hervorragendes Mückenschutzspray dabei, und nachts hat uns ein Moskitonetz geholfen.

Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Die Lodge war einfach nur cool! Man ist mitten im Urwald, überall summt und brummt es, alles ist grün, grün, grün, und obwohl man sehr darauf geachtet hat, die einzeln stehenden Gästehäuser subtil in die Landschaft zu integrieren (siehe auch die Grafik ganz oben auf dieser Seite), fehlt es nicht am nötigen Komfort. Fließendes Wasser und Strom sind selbstverständlich, ebenso ein Bad mit Dusche. Verzichten muss man lediglich auf Fernsehen und Kühlschrank, aber wenn einer im Urwald fernsehen will, ist ihm wohl ohnehin nicht mehr zu helfen. Ein besonderes Lob gilt der Küche. Was der Chef dort aus den mühsam herbei geschafften Zutaten gezaubert hat, war allererste Sahne!

 

Run through the Jungle
Einen ersten Sondierungsgang unternahmen wir noch am Abend des ersten Tages, kurz nach unserer Ankunft. Sehr eindrucksvoll, der Kampf der Pflanzen um das wenige Licht. Bei Sonnenuntergang fuhren wir dann noch einmal mit dem Boot auf den Fluss, um Kaimane bei ihren nächtlichen Aktivitäten zu beobachten. Am nächsten Morgen gab es wieder Tiere zu sehen, und zwar zunächst hunderte von Papageien, die jeden Morgen an einer riesigen Lehmmauer mitten im Urwald (langer, schweißtreibender Anmarsch!) zusammen kommen, um den Lehm herauszupicken. Hintergrund ist, dass die Papageien viele Pflanzen und Früchte fressen, aus denen sie die Farbstoffe für ihr Gefieder rekrutieren. Da viele dieser Pflanzen jedoch toxisch sind, picken sie Lehm auf, um die ungesunden Stoffe im Magen zu binden und auf diese Weise zu kompensieren. Später gab es dann noch Kapuziner- und Totenkopfäffchen auf der "Affeninsel" zu sehen, die zum Glück per Boot zu erreichen ist. Hier ein paar Impressionen von diesen Unternehmungen:
 

Aber das war alles noch Kinderkram. Danach stand der Programmpunkt unseres Urwaldabenteuers an, nämlich ein Ausflug zur Lagune Sandoval. Das muss man sich so vorstellen: Ein Motorboot setzt einen irgendwo am Ufer des Madre de Dios ab. Dann klettert man den Hang hinauf und marschiert anschließend 3,5km in den Urwald hinein. In Worten: Drei Komma fünf Kilometer! Und nochmals: Es herrschen 35 Grad und 99% Luftfeuchtigkeit. Am Ende des endlosen, schlammigen und unebenen Pfads stößt man dann auf ein Flüsschen und einen kleinen Steg mit alten Holzbooten. Nach fünf Minuten Paddeln auf dem Flüsschen tut sich plötzlich eine Mündung auf, und man biegt auf einen wunderschönen, großen See ein - die Lagune Sandoval. Mitten im Urwald! Das war schon einmalig und wirklich der Mühe wert.
 

Am Ufer der Lagune nahmen wir ein spätes Mittagessen ein, serviert in einem Palmenblatt, welches das Essen (Hühnchen mit Reis) den ganzen Anmarsch über wunderbar warm gehalten hatte. Anschließend konnte man noch gemütlich im Schatten sitzen und den Blick über den See wandern lassen. Die abschließende Rückfahrt geriet allerdings leider etwas zu lang, weil die Reiseleiterin unendlich langsam am Ufer entlang paddelte und uns unbedingt jeden Vogel und jede Ameise erklären musste, obwohl wir ihr deutlich zu verstehen gaben, dass es genug war. Irgendwann ist man einfach nicht mehr aufnahmefähig, und im Grunde interessiert es uns auch nicht, warum jener Vogel einen gebogenen Schnabel hat und ein anderer zwei weiße Streifen im Gefieder.