Nach dem Frühstück verließen wir Siena und brachen zu einer Fahrt
durch das Chianti-Gebiet auf, in dem der berühmte
gleichnamige Rotwein angebaut wird. Der Nebel blieb uns zum Glück
noch eine Weile erhalten. Bilder können die Stimmung dieses Morgens
im Grunde gar nicht ausdrücken, alles war so schön und so friedlich. |
Zum Genuss des Augenblicks mag beigetragen haben, dass unterwegs
nichts los war. Ich hatte ja schon erwähnt, dass die Toskana vor 10
Uhr geschlossen ist, um es überspitzt zu formulieren, und das kann
man ausnutzen, wenn man sich früh auf den Weg macht. Die Bilder von
den einsamen Straßen täuschen also nicht, es herrschte so gut wie
kein Verkehr, und man konnte jederzeit am Straßenrand anhalten, um
Fotos zu schießen und die Landschaft auf sich wirken zu lassen. |
In der Toskana gibt es praktisch keine Industrie. Die Menschen leben
vom Tourismus und von der Landwirtschaft, wobei natürlich der
Weinanbau den weitaus größten Anteil ausmacht. Es ist also kein
Zufall, dass sich immer wieder Weingüter und Herbergen entlang des
Weges finden, die malerisch in die Landschaft eingebettet sind.
|
Chianti ist ein Rotwein, der vorwiegend aus der
Sangiovese-Traube gewonnen wird. Über 90% des weltweiten
Bestandes dieser Rebsorte wird im Chianti angebaut. Natürlich gibt
es verschiedene Sorten, von denen Chianti Classico wohl die
Bekannteste ist. Geschmacklich kann man den Chianti sicherlich als
trockenen Wein mit fruchtiger Note bezeichnen, wobei natürlich eine
Reihe von Faktoren jedem Wein seine individuelle Note verleihen. Wir
haben jedenfalls mehrere Weine probiert, und kein Chianti schmeckte
wie der andere. Im Grunde ist es mit dem Wein wie mit der Musik oder
der Liebe - kein Wort kommt der Erfahrung nahe.
|
Natürlich sind wir nicht nur herumgefahren, sondern haben uns auch
das eine oder andere Örtchen angesehen, zum Beispiel Greve,
das für seinen Marktplatz mit den vielen Dachterrassen
bekannt ist.
|
Wärmstens empfohlen wurde uns Volpaia, ein kleines Dorf auf
einem Felsen mit einem Restaurant, dessen Terrasse einen
überwältigenden Ausblick über die umliegende Landschaft bietet. Nur
wollte man uns an den schönen Tischen nicht sitzen lassen, weil
diese angeblich reserviert waren. Auf den Reservierungskarten stand
zwar 13.30 Uhr, und wir wollten gegen 12 Uhr nur einen Cappuccino
trinken, aber das war dem Kellner reichlich gleichgültig. Dann eben
nicht. Mehr Glück hatten wir in Radda, auch wenn wir dort zum
ersten Mal mit der Unart mancher italienischen Restaurants
Bekanntschaft machten, das Eindecken und Bereitlegen von Essbesteck
gesondert zu berechnen, natürlich ohne vorherigen Hinweis darauf.
Dazu haben wir eine ganz klare Meinung: Wenn in einem Restaurant
dieses "Coperto" auf der Rechnung steht, gehen wir dort nie
wieder hin, gleichgültig, welche Qualität Speisen und Service
hatten. Diese Form von Abzocke muss bestraft werden. Als
Rechtsanwalt berechne ich meinen Mandanten auch nicht den Stuhl, auf
dem sie sitzen.
|
Übernachtet haben wir in San Gimignano, das schon wieder
etwas westlich des Chianti liegt. Von Radda aus führt der direkte
Weg dorthin durch Poggibonsi, ein Städtchen von 30.000
Einwohnern, in dem wir - schon gegen Abend - noch eben Brot und Käse
einkaufen wollten. Nur wo? Ein Supermarkt war weit und breit nicht
in Sicht. Bei uns wäre man zur Tanke gefahren, aber in der Toskana
gibt es an Tankstellen leider keine Lebensmittel zu kaufen. Nun,
Abhilfe schaffte das aufmerksame Beobachten der Beschilderung, denn
nach unserer Erfahrung verfügt jeder toskanische Ort über genau
einen Supermarkt, in der Regel einen COOP, und dieser ist
normalerweise ausgeschildert. Und damit meine ich nicht irgendwelche
Reklametafeln, sondern die reguläre Straßenbeschilderung: "Rathaus
links, Bahnhof geradeaus, COOP rechts." Ausgerechnet in Poggibonsi
entpuppte sich diese Beschilderung zwar als lückenhaft (um nicht zu
sagen irreführend), dafür erlebten wir aber ein echtes
Triumphgefühl, als wir den Supermarkt schließlich doch noch
fanden.
Unser Hotel
in San Gimignano war der absolute Wahnsinn. Weniger wegen
des Zimmers, auch wenn es an diesem nicht das Geringste auszusetzen
gab, als vielmehr wegen des atemberaubenden Ausblicks über die
Landschaft und auf den Ort. |
Was wir kaum für möglich gehalten
hätten: Der Sonnenaufgang war sogar noch schöner als der
Sonnenuntergang. In diesen Momenten möchte man aus der Toskana nie
mehr weg: |
San Gimigliano ist vor allem berühmt für seine Türme. Wie
oben bereits erwähnt, verfügt zwar jeder Ort in der Toskana
über zumindest einen Glockenturm, aber in San Gimigliano hat man den
Turmbau zum Statussymbol erhoben. Je höher der Turm, desto höher die
soziale Bedeutung des Bauherrn. Abgesehen von ihrer Funktion als
Zeichen des Ansehens sind viele dieser Privattürme übrigens völlig
zweckfrei. Sie stehen einfach da. Allerdings darf kein Turm höher
sein als der Rathausturm, der deshalb auch "Torre Grossa"
heißt.
|
Aus der Nähe sind hohe Türme
naturgemäß nicht leicht zu fotografieren. Hier zwei Versuche: |
Bevor man sich den
Hals verrenkt vor lauter Türmen, sollte man vielleicht lieber am
Marktplatz von San Gimignano ein Eis essen. Doch Vorsicht: Das
"echte" Eis vom "Eisweltmeister"
gibt es nur in einer kleinen Gelateria an der Ecke, deren Inhaber
zum italienischen Team gehörte, das 2006/07 und 2008/09 die "Gelato
World Championchips" gewann. (Ich vermute, die Italiener sind in
diesem Wettbewerb konkurrenzlos). Die größte Eisdiele am Platz wirbt
zwar mit dem Slogan "The best Icecream in the World", aber das kann
sich jeder über die Bude hängen. Wir haben jedenfalls beim
Weltmeister eingekauft, und das Eis war ein einziger Genuss. Ich
empfehle Malaga und Tiramisu! |
|