Turner
Field
Turner Field (Bild oben: Panoramafoto, aufgenommen am 5.9.07) hat sich nicht großartig verändert. Auffälligste
Neuerung ist die "Braves Vision" genannte, riesige
Anzeigetafel
im Centerfield (im Bild ganz rechts oben
zu sehen). Ihre Seitenflügel dienen als
Werbeplattform, worin ihre Hauptfunktion liegen dürfte. Aber auch
der Fan profitiert durchaus, denn die Bilder von den Wiederholungen
und die eingeblendeten Informationen über die Spieler sind gestochen
scharf zu erkennen, selbst gegen die Sonne. Weniger schön ist, dass die
Ticketpreise deutlich angezogen haben, im Schnitt um die 25%
seit 2002,
und das, obwohl die Braves jetzt nur noch Mittelmaß sind. Eine
vernünftige Karte kostet $34 (an Wochenenden mit Topzuschlag $38),
die besten Plätze gehen für $60 weg.
Turner Field ist wie viele andere Baseballstadien nicht nur eine
Sportarena, sondern auch ein Erlebnispark. Dem Fan wird dort
auch neben den Spielen
eine
Menge geboten, und damit meine ich nicht nur die obligatorischen
Fressbuden. Nein, man kann z.B. ein Foto mit Maskottchen "Homer"
(Bild unten rechts) machen
lassen oder die eigenen Wurfqualitäten in einem Simulator testen, im Braves Museum die Highlights aus der
Geschichte der Braves Revue passieren lassen, Kinder können an
Sonntagen vor dem Spiel die Bases umrunden und vieles mehr. Überall
fällt auf, dass man sich um Atmosphäre bemüht. Dazu tragen auch der
Retro-Look des Stadions und viele Kleinigkeiten bei, wie etwa die
vor dem Stadion befindlichen Statuen der besten Braves aller Zeiten
(im Bild links: Pitcher Phil Niekro) nebst "Walk of Fame" mit
Sternchen im Pflaster a la Hollywood.
Serie 1: New York Mets
(31.08.07 - 02.09.07)
Zum Sport:
Die Ausgangslage der Braves vor den drei Spielen gegen die New York Mets
war ebenso klar wie verzweifelt: Die Mets kamen als Tabellenführer
der NL East Division mit einem beruhigenden Vorsprung von 4,5
Spielen nach Atlanta. Im Rennen um die Wildcard, welche ebenso wie
der Divisionstitel zur Teilnahme an den Playoffs berechtigt, lagen
die Braves hinter den San Diego Padres ebenfalls 4,5 Spiele zurück.
Bei 28 noch ausstehenden Spielen würde alles andere als ein Sweep
(so nennt man es im Baseball, wenn eine Mannschaft alle Spiele einer
Serie gewinnt) gegen die direkte Konkurrenz aus New York die Playoff-Hoffnungen der Braves
faktisch begraben. Ein Sweep wurde
es dann auch, nur leider anders als gedacht:
Spiel 1
Spiel 1 ging schon mal ganz glatt mit 1:7 verloren. Die Braves
hatten durchaus ihre Chance zu gewinnen, versagten aber - wie schon
die ganze Saison über - im entscheidenden Moment. Beim Stand von 0:0
und zwei Aus im 4. Inning gab Pitcher Tim Hudson einen Homerun
zum 0:3 ab, und bei 0:4 im 6. Inning hatten die Braves die Bases
geladen, kein Aus, hätten das Spiel also mit einem Homerun wieder
unentschieden gestalten können, erzielten aus dieser goldenen
Möglichkeit am Ende jedoch nur einen mickrigen Punkt zum 1:4.
Im Stadion war übrigens David Faustino,
alias Bud Bundy aus der Serie "Eine schrecklich nette Familie", der
im 7. Inning "Take me out to the ballgame" zum Besten gab
(furchtbar, er kann überhaupt nicht singen). Ein Inning später
musste ich mal für kleine Jungs, und wer steht da am Pissoir neben mir? Erraten: Bud Bundy! Ein leicht
surreales Erlebnis. Leider hatte ich keine Hand für meine Kamera
frei...
Spiel 2
Wer nach Spiel 1 gedacht hatte, dass es schlechter nicht mehr geht,
wurde im
zweiten Spiel
eines Besseren belehrt: Die Braves schafften ganze zwei Hits gegen
die Mets mit ihrem bis
dahin sieglosen Pitcher Mike Pelfrey und verloren sang- und
klanglos 1:5. Symbolisch daher das Foto links, auf dem der Third
Baseman der Braves, Chipper
Jones,
nach einem Aus an der ersten Base seinen Helm ablegt (neben ihm der
First Base Coach der Braves, Glenn Hubbard). Nach zwei Spielen hatten
die Braves noch kein einziges Mal in
Führung gelegen, keinen Homerun (ja noch nicht einmal ein Double)
erzielt, dafür aber 22 Strikeouts produziert.
Spiel 3
Das
dritte Spiel ging ebenfalls verloren, diesmal
"nur" mit 2:3. Es wurde
wie erwartet von den Starpitchern John Smoltz (Braves) und Tom
Glavine (Mets) dominiert, wobei Smoltz den entscheidenden Fehler
machte und David Wright im 5. Inning einen Homerun zum
zwischenzeitlichen 1:3 erlaubte. Dass die Braves in den drei Spielen
zusammen nur 4 Runs erzielten, war ein Armutszeugnis. Immerhin
lagen sie im dritten Spiel erstmals in Führung - genau ein halbes Inning
lang mit 1:0. Danke dafür.
Die gesamte Serie war übrigens äußerst gut besucht. In allen drei
Spielen kamen trotz des Topzuschlags, der bislang enttäuschenden
Saison und den Pleiten in Spiel 1 und 2 jeweils über 45.000
Zuschauer (bei einer Kapazität von 50.000). Die Stimmung kann man
gleichwohl nicht mit unseren Fußballspielen vergleichen. Man sieht
recht interessiert zu, aber angefeuert wird nicht, allerhöchstens
nach Aufforderung via Stadionlautsprecher oder Videowand.
Zwischendurch steht man auf, holt sich etwas zu Essen (es gibt
ausschließlich Fastfood) oder ein Bier, und damit es nicht zu voll
wird, geht man eine Viertelstunde vor Schluss. Positiv ist
andererseits, dass überhaupt keine Aggressionen in der Luft liegen.
Fans beider Mannschaften sitzen friedlich nebeneinander, keiner käme
auf die Idee, Blöcke zu bilden. Polizei ist so gut wie keine im
Stadion.
Aus deutscher Sicht fand ich abschließend noch bemerkenswert, dass in den Pausen
zwischen den Innings u.a. Lou Bega ("Mambo No. 5") und
DJ Ötzi
("Hey Baby") gespielt wurden, also Lieder, die bei uns vor
fünf Jahren
aktuell waren. Offensichtlich waren beide Titel allgemein bekannt
und äußerst beliebt.
Serie 2: Philadelphia
Phillies (03.09.07 - 05.09.07)
Nach den Niederlagen gegen die Mets hatte sich die Ausgangslage der
Braves noch einmal dramatisch verschlechtert: Auf die Mets waren es jetzt 7,5
Spiele Rückstand bei noch 25 Partien, und auf Wildcardinhaber San Diego
lag man immerhin auch
schon 6,5 Spiele zurück. Aus 5% Hoffnung waren 0,5% Hoffnung geworden. Die
folgende Serie gegen die Philadelphia Phillies mit ihrem Star
Ryan Howard (im Bild unten links mit Andruw Jones von den
Braves) würde nun endgültige
Klarheit über das Schicksal der Braves bringen, denn die Phillies
waren ebenfalls ein direkter Konkurrent. In der Division lagen sie
zwischen den Mets und den Braves auf Platz 2, und auch in der
Wildcard waren sie den Braves zu diesem Zeitpunkt 3,5 Spiele voraus.
Spiel 1
Nach
Spiel 1 sah die Welt wieder etwas freundlicher aus,
denn die Braves gewannen mit 5:1. Hauptgrund war die überraschend
gute Leistung von Pitcher Lance Cormier, der nach einer guten
Vorbereitung die ganze Saison über mit Verletzungen zu kämpfen
hatte, gegen Ende aber wieder fit zu sein schien. Einen Homerun der
Braves bekam ich allerdings auch in diesem vierten Spiel nicht zu sehen.
Spiel 2
Das änderte sich dann in
Spiel 2, als Chipper Jones im 4. Inning zum
zwischenzeitlichen 1:3 endlich einer gelang. Damit wäre das Positive aus
diesem Spiel bereits erwähnt, denn ansonsten boten die Braves bei
dieser 2:5-Niederlage in allen Bereichen eine desolate Leistung. Man
gewinnt eben selten, wenn der Starting Pitcher (Buddy Carlyle)
nicht aus dem 2. Inning kommt. Bei den Phillies lief es hingegen
trotz einer kleinen Zwischenkrise ihres Pitchers Kyle Lohse
(Bild rechts) wie geschmiert: Ryan Howard gelang bereits im 1.
Inning ein Homerun zum 2:0, und Lohse gewann am Ende das Spiel und
bot eine überzeugende Vorstellung.
Spiel 3
Um nichts besser waren die ersten sieben Innings des
dritten und letzten Spiels der Serie gegen die Phillies.
Eigentlich war alles sogar noch viel schlimmer, denn statt 2:5 lag
man bereits 2:8 zurück. Nichts, aber auch gar nichts deutete auf ein
Comeback der Braves hin, und so verließen die Zuschauer in Scharen
das Stadion. Im Laufe der Saison 2007 hatte es laut ESPN bis dato
517 Fälle gegeben, in denen eine Mannschaft mit sechs oder mehr Runs
Vorsprung ins 8. Inning ging, und in 517 Fällen gewann diese
Mannschaft auch das Spiel. Nicht so die Phillies an diesem 5.9.07,
denn nach 4 Runs im 8. Inning und weiteren 3 Runs im 9. Inning hieß
es am Ende 9:8 für die Braves. Ein glücklicher, um nicht zu sagen
unverdienter Sieg, aber ein gutes Beispiel dafür, dass man im
Baseball jeden Vorsprung aufholen kann.
Eine Bilanz von 2:4 nach sechs Spielen war zwar alles andere als
zufriedenstellend, und schon gar nicht geeignet, in irgend einer
Form noch Playoff-Hoffnungen aufkommen zu lassen, aber immerhin
doch besser als eine Bilanz von 1:5. Außerdem hatte man die Serie
gegen die Phillies auf diese Weise noch mit 2:1 gewonnen.
Serie 3: Washington
Nationals (07.09.07 - 09.09.07)
Nach einem Tag Pause ging es in die dritte und letzte Serie meiner
Reise, und zum dritten Mal stand ein Duell mit einer Mannschaft aus
der eigenen Division an. Allerdings waren die Washington Nationals
auf dem Papier zwei Klassen schlechter einzustufen als die Mets und
Phillies, mit anderen Worten also immerhin auch eine Klasse
schlechter als die Braves.
Spiel 1
Und so spielten sie dann auch. Die Leistung der Nationals in
Spiel 1 - im Bild rechts: Die beiden Catcher Brian McCann
(Braves, am Schlag) und Brian Schneider (Nationals, hinter der
Homeplate) - war die mit Abstand schlechteste, die ich in meinem
Leben von einem Team aus der Major League Baseball gesehen habe.
Ganzen zwei Hits standen am Ende nicht weniger als fünf (!) Errors
gegenüber. Allein auf das Konto von Ryan Zimmerman, dem Third
Baseman der Nationals, gingen drei davon, weil er offensichtlich
nicht in der Lage war, einen Baseball von der dritten zur ersten
Base zu werfen (was für einen Third Baseman äußerst unglücklich ist,
to say the least). Am Schlag brachte Zimmerman es auf vier
Strikeouts in vier At-Bats. "Goldener Sombrero" heißt das im
Baseball-Jargon.
Allerdings waren es nicht nur die grottenschlechten Nationals, die
am Ende für den 7:1-Sieg der Braves sorgten. John Smoltz
beispielsweise hielt bis zum 8. Inning einen No-Hitter, und Chipper
Jones brachte es auf drei Hits bei vier Versuchen, darunter ein
Homerun und ein Double. Dieses Spiel war das mit Abstand
unterhaltsamste der ganzen Reise (für Braves-Fans natürlich nur).
Spiel 2
In
Spiel 2 konnten die Braves wieder einen Prominenten im
Turner Field begrüßen: Ex-Boxweltmeister Evander Holyfield gab sich
die Ehre! Glück für ihn, dass er gerade dieses Spiel erwischte, denn
am Ende gewannen die
Braves,
bei denen übrigens der lange verletzte Shortstop Edgar Renteria
(Bild links) sein Comeback feierte, leicht und locker mit 9:2, ohne auch nur
ein einziges Mal in Bedrängnis geraten zu sein. Washington
fabrizierte drei weitere Errors, wobei der größte Fauxpas der Nationals noch nicht einmal als Error gewertet wurde: Rightfielder
Austin Kearns beförderte mit seinem ausgestreckten Handschuh einen
etwas zu kurz geratenen Flyball von Jeff Francoeur doch noch über
die Mauer - Homerun Braves! Alles in allem konnte man sich nach
diesen beiden Spielen fragen, wie die Nationals überhaupt jemals ein
Spiel hatten gewinnen können.
Spiel 3
Die Antwort auf diese Frage bekam ich dann in
Spiel 3 zu sehen: Sie müssen auf ein Team treffen, das noch
schlechter spielt! Die Braves taten ihnen an diesem Sonntag
Nachmittag den Gefallen. Bis zum Ende des 5. Innings lief alles nach
Plan, denn nach einem weiteren Homerun von Chipper Jones stand es
3:1 für die Braves. Doch dann ging alles ganz schnell den Bach
'runter: Starter Lance Cormier erlaubte Ryan Church einen
3-Run-Homerun zum 4:3 für die Nationals, und damit sich auch ja
niemand Hoffnungen auf ein Comeback machen konnte, gaben die
ansonsten sehr zuverlässigen Reliever Moylan, Mahay und Ascanio auch
noch je einen Run ab. 7:4 hieß es am Ende für die Nationals.
An Sonntagen spielen die Braves übrigens immer in knallroten
Jerseys (siehe Renteria oben links). Ein Marketingtrick, denn auf diese Weise kann man neben dem
(weißen) Heim- und dem (grauen) Auswärtstrikot noch ein drittes
Trikot an den Mann bringen. Ob diese roten Trikots optisch gelungen
sind oder nicht, mag jeder selbst beurteilen.
Die Bilanz
Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass es wieder ein tolles
Erlebnis war, "meine" Mannschaft im Turner Field spielen gesehen zu
haben. Es gibt in Deutschland einfach nichts Vergleichbares, und ich
kann jedem nur empfehlen, einmal in den USA ein Baseballspiel zu
besuchen, auch wenn man von den Regeln vielleicht keine Ahnung hat.
Die Atmosphäre dort wird jedem Besucher sicherlich in Erinnerung
bleiben. Ich habe jedenfalls die feste Absicht, nach 2002 und 2007
noch ein drittes, viertes und fünftes Mal nach Atlanta zu kommen und
die Braves live zu sehen. Vielleicht mache ich mir den Abstand von
fünf Jahren zur Gewohnheit, mal sehen...
Das sportliche Fazit fällt dagegen deutlich negativer aus. Mit einer
Bilanz von 4:5 aus den neun Heimspielen verspielten die Braves
endgültig jegliche Playoff-Hoffnung, wenn es denn noch eine gegeben
hatte. Mindestens ein 7:2 hätte es gebraucht, um noch eine
Außenseiterchance zu bewahren. Ich muss auch ganz klar sagen, dass
das Team 2007 vom Niveau her nichts mehr mit dem Team von 2002
gemeinsam hatte. Damals dominierten die Pitcher der Braves beinahe
nach Belieben, und man hatte unwillkürlich immer das Gefühl, dass
nichts mehr schief gehen konnte, wenn die Braves erst einmal zwei
oder drei Runs erzielt hatten. 2007 war es genau umgekehrt, man
verlor alle Hoffnung, wenn der Gegner erst einmal in Führung lag,
und zwei oder drei Runs für die Braves vermittelten einem ein
genauso sicheres Siegesgefühl wie im Fußball ein Eckball beim Stand
von 0:0. Entsprechend war die Stimmung im Stadion: Nicht mehr
siegesgewiss, sondern eine Mischung aus Hoffnung, Verzweiflung und
Dankbarkeit für jede gelungene Aktion. Alles auf relaxtem Niveau
natürlich, denn dass der Sport beim Besuch eines Sportereignisses
für den Amerikaner zweitrangig ist (wobei Ausnahmen die Regel
bestätigen), erwähnte ich ja schon. Deshalb nehme auch ich es
sportlich: Auf ein Neues 2008 - GO BRAVES!
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