Schlösser, Burgen, Kathedralen
Der Tag begann mit einem überragenden Frühstück in meinem B £ B. Ich war der einzige Gast, und nicht selten habe ich es erlebt, dass dann auf "Sparmodus" geschaltet wurde. Nicht so im Green Field Oats, wo ich alles vorgesetzt bekam, was ein "Full English Breakfast" hergibt. Sogar die dicken Bohnen schmeckten mir. In der "Gebrauchsanweisung für England" habe ich gelesen, dass das "Full English Breakfast" das Beste an der ganzen englischen Küche sei, und mein Aufenthalt bot mir keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Einschätzung zu zweifeln.

Danach fuhr ich zehn Meilen von Sandhurst nach Norden, um Sissinghurst Castle zu besichtigen. Eines gibt es dort allerdings nicht: Ein "Castle". Ein Eingangstor, zwei Türme, das war's. Nun verstand ich, warum ich im Reiseführer nur über die Gärten gelesen hatte, aber nichts über die eigentliche Burg.

Und selbst wenn man auf Gärten steht, kann man sich Sissinghurst Castle getrost schenken, wenn man zuvor Hever Castle gesehen hat, denn die Gärten dort sind unvergleichlich schöner.

Überhaupt, Gärten scheinen die Spezialität der Burgenbauer in Südengland zu sein. Leeds Castle, mein nächster Stopp, hatte zwar immerhin tatsächlich eine Burg zu bieten, aber diese erreicht man erst, wenn man kilometerlang durch Gärten wandert, die man klugerweise zwischen dem Eingang und der Burg platziert hat.

Berühmt sind die Gärten von Leeds Castle für ihre Schwäne und Enten, deren Fütterung durch die Touristen übrigens nicht nur geduldet, sondern durch den Verkauf von Futternäpfen explizit gefördert wird. Die Tiere sind an diese Mahlzeiten inzwischen so gewöhnt, dass sie nicht vor den Menschen davonlaufen, sondern geradewegs auf sie zu. Das hat den Nachteil, dass die Wanderwege an vielen Stellen mit Entenkacke so verdreckt sind, dass man nicht mehr weiß wo man hintreten soll.

Das eigentliche Thema war aber die Weitläufigkeit der ganzen Anlage. Ich wäre sicherlich ein halbes Dutzend Mal frustriert umgekehrt, wenn der Eintritt mit 21 Pfund nicht derart unverschämt teuer gewesen wäre, dass ich den Ehrgeiz entwickelte, für mein Geld tatsächlich auch die Burg zu sehen zu bekommen. Immerhin, sie war wirklich schön, auch wenn - oder gerade weil - dies der eine Tag war, an dem das Wetter nicht so recht mitspielte. Ich finde, es tut der rauen Schönheit südenglischer Burgen keinen Abbruch, wenn sie in Dunst und Nebel stehen.

Auch von innen hatte man sich viel Mühe gegeben. "Kennste eine, kennste alle" stimmte zwar auch hier, aber man sieht an der Einrichtung, der Gestaltung des Rundweges und den Exponaten doch, ob man sich Mühe gemacht hat oder nicht. Wer also einen laaaangen Anmarsch nicht scheut, dem sei Leeds Castle durchaus empfohlen. (Auf dem Rückweg bemerkte ich übrigens, dass es auch einen kostenpflichtigen Bustransport gibt. Die Busse fahren allerdings nur zu bestimmten Zeiten ab, man muss also Glück haben, gerade "on time" zu sein. Von den Gärten sieht man dann freilich wenig bis nichts.)

Canterbury
Für Canterbury, mein Tagesziel, blieb danach nicht mehr viel Zeit. Einmal die Fußgängerzone 'rauf und 'runter, dann dämmerte es auch schon. Die legendäre Kathedrale musste also bis zum nächsten Morgen warten.

Canterbury Cathedral ist vor allem eines: Groß. Nein, riesig. Man sollte einmal 'drum herum laufen, um ihre Ausmaße wirklich einschätzen zu können. Kein Wunder, dass man knapp 1.000 Jahre gebraucht hat, um das Ding hochzuziehen. 1070 wurde unter normannischer Herrschaft mit dem Bau begonnen, und erst 1832, unzählige Architekten, Baustile, Brände und andere Unfälle später stand in etwa das, was wir heute sehen. Insofern ist der Titel "älteste christliche Kirche Englands" auch nicht ganz zutreffend; andere werden weit früher fertig gewesen sein.

"Fertig" ist die Kathedrale übrigens immer noch nicht, und fertig wird sie nach meinem Eindruck auch nie werden, denn so ein Bauwerk bedarf ständiger Unterhaltungsmaßnahmen. Gebaut und gebuddelt wird also ständig an mehr als einer Ecke.

Von innen zeigt sich die Kathedrale extrem schlicht. Sie beeindruckt vor allem wieder durch ihre Größe, besonders durch ihre Höhe, denn da sie recht verwinkelt ist (doppelte Querschiffe), fällt ihre Länge gar nicht so sehr auf. In jedem Fall sollte man sich nach dem Eintreten einmal umdrehen, denn die mit Abstand schönsten Glasfenster befinden sich hinter dem Besucher. Unbedingt nachlesen sollte man die Geschichte von Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury, der 1170 im Auftrag Heinrichs II. im Altarraum ermordet wurde. Weite Teile der Kathedrale sind der Erinnerung an diese schändliche Tat gewidmet.