
Der "Palast der Winde" in Jaipur ist neben dem Taj
Mahal die vielleicht berühmteste Sehenswürdigkeit Indiens.
Eigentlich stand dessen Besichtigung erst am Nachmittag auf
dem Programm, aber wir hatten im Reiseführer gelesen, dass die
Sonne morgens besonders günstig stehen sollte, und so waren
wir bereits um halb neun dort. "Palast" - oder "Hawa Mahal",
wie es in der Landessprache heißt - ist übrigens eine
Falschbezeichnung, denn eigentlich handelt es sich nur um eine
rote Fassade, hinter der früher die Frauen des
Maharajas saßen und das Geschehen auf der Straße beobachteten.
Die Frauen durften früher den Palast nicht verlassen, und um
ihnen ihr Leben im goldenen Käfig wenigstens etwas
abwechslungsreicher zu gestalten, wurde dieser "Palast" 1799
errichtet. 953 Nischen verteilen sich auf fünf Stockwerke.
Hinter der Fassade verbirgt sich nur eine schmale Treppe, ein
Gebäude im engeren Sinne gibt es gar nicht.
In Jaipur bestehen zahllose
Gebäude aus dem selben roten Sandstein wie der "Palast der
Winde", und zahllose weitere sind in dieser Farbe gestrichen.
Eigentlich müsste Jaipur daher "Terrakotta City" heißen, aber
man nennt sich stattdessen "Pink City", wohl weil es
besser klingt. Aber kein anderes Gebäude ist so eindrucksvoll
wie der "Palast der Winde". Jedenfalls hat es uns dort super
gefallen. Von einem privaten Gebäude gegenüber, in das man
gegen eine geringe Gebühr eingelassen wird, hat man den besten
Blick. Übrigens war das Licht am späten Mittag noch genauso
gut wie am Morgen, aber das frühe Aufstehen lohnt sich
trotzdem, denn dann ist es noch schön leer.
Ansonsten ist Jaipur
nämlich recht überlaufen. Damit hatten wir überhaupt nicht
gerechnet, nachdem wir in den ersten zehn Tagen manche
Sehenswürdigkeit für uns allein hatten. Einen ersten Eindruck
vom Andrang bekamen wir am Amber Fort, der zweiten
überregional bekannten Attraktion Jaipurs.
Der Aufstieg zu diesem auf einem
Hügel am Rande der Stadt gelegenen Fort erfolgt für Touristen
zu Fuß oder auf dem Rücken eines Elefanten. Ein
zweifelhaftes Vergnügen, aber es musste sein. Nach einer
halben Stunde Anstehen durften wir auf einem Elefanten Platz
nehmen, der uns schnaufend in der trägen Art, die diesen
Tieren eigen ist, den Anstieg hinauf trug.
Amber war 600 Jahre lang die
Hauptstadt der Region, erst 1727 gründete Maharaja Jai Singh
II in unmittelbarer Nähe die nach ihm benannte neue Hauptstadt
Jaipur. Besonders beeindruckend am Amber Fort ist der Garten
im Inneren mit dem Sommer- und Winterpalast zu seinen Seiten,
und die Wehrmauer, die ein wenig an die chinesische Mauer
erinnert, auch wenn sie 6.340 km kürzer ist.
Nach einem kurzen Fotostop am
Seepalast, der stark an das Lake Palace Hotel in Udaipur
erinnerte (und tatsächlich demnächst auch in ein Hotel
umgebaut werden soll), ging es zurück in die Stadt Jaipur.
Dort befindet sich die Sternwarte " Mantar
Jantar", welche zwischen 1728 und 1734 entstand. Dort gibt
es die größte Sonnenuhr der Welt zu bestaunen, welche
die Zeit auf zwei Sekunden genau anzeigt. Die 30m hohe Rampe
in der Mitte des Bildes unten wirft den Schatten, der
Halbkreis zu ihren Füßen ist in Wirklichkeit eine Skala, auf
der die Uhrzeit abgelesen werden kann (Ausschnitt siehe
kleines Bild). Neben der großen gibt es eine kleinere, ältere
Sonnenuhr, die es "nur" auf eine Genauigkeit von 20 Sekunden
bringt. Damit war der Maharaja unzufrieden, und da Geld keine
Rolle spielte, setzte er sich noch die große Rampe in seine
Sternwarte.
Die anderen Instrumente dort sind nicht minder interessant.
Zum Beispiel dient eine Anlage zur Bestimmung des
Sternzeichens nebst des Aszendenten. Dazu bedarf es zwölf
eigentümlicher Bauten (Bild unten rechts: Skorpion). Man hat
uns gesagt, dass es funktioniert, und wir glauben es. Uns
wurde auch mehrfach versichert, dass viele Inder bis heute an
Astrologie glauben, ja selbst Hochzeiten davon abhängig
gemacht werden, ob die Sternzeichen des Paares zusammen
passen.
Letzte Attraktion des Tages war
der Stadtpalast, der nur zum Teil besichtigt werden
kann, weil noch heute die Witwe des letzten Maharajas von
Jaipur mit ihrem Clan dort wohnt. Diese über 90jährige Dame
hat übrigens ein bekanntes, in Indien sehr verbreitetes
Buch über ihr Leben geschrieben. Der zugängliche Teil
des Palastes beheimatet eine Reihe von Museen, u.a. für
Malerei, Gewänder und Waffen. Letzteres überrascht ein wenig,
denn in Jaipur gab es so gut wie nie Krieg. Zu Zeiten Akhbars
des Großen verheiratete der Maharaja von Jaipur eine seiner
Töchter mit Akhbar, als Zeichen der Anerkennung der
Mogulherrschaft. Diese Geste brachte ihm eine hohe Stellung in
Akhbars Armee und seinem Land für viele Jahrhunderte Frieden
ein. Neben den Museen fielen im Stadtpalast vor allem die
verschwenderische Ausstattung und das weltgrößte
Silbergefäß auf, das 4.500 Liter fasst. Links von der
Audienzhalle, in der das Gefäß steht, befindet sich der "Pfauenhof"
mit vier aufwändig verzierten Toren, welche die Jahreszeiten
symbolisieren sollen. Warum es "Pfauenhof" heißt, verrät das
schönste der vier Tore.

Von Jaipur sind es ca. 200 km bis Agra, der letzten Station auf
unserer Reise. Unterbrochen wird die Fahrt allerdings von einer ganz
besonderen Attraktion: Der Geisterstadt Fatehpur Sikri. Zu
verdanken haben wir diese einzigartige Anlage Akhbar dem Großen.
Angeblich soll es mit der Geburt eines Sohnes bei Akhbar erst
geklappt haben, nachdem er den auf einem Felsen lebenden Heiligen
Shaikh Salim Chisti um seinen Segen gebeten hatte. Kaum
gesegnet, wurde ihm ein Stammhalter geboren. Aus Dankbarkeit ließ
Akhbar auf jenem Felsen spontan eine neue Stadt errichten, die seine
Hauptstadt werden sollte. Allerdings bereitete die Wasserversorgung
latente, schließlich gar unlösbare Probleme, und so wurde das 1571
begonnene Projekt bereits 15 Jahre später wieder aufgegeben. Die
Stadt verfiel und geriet in Vergessenheit. Ihrer abgeschiedenen Lage
verdankt sie wohl, dass sie zu späteren Zeiten weder zerstört noch
als Steinbruch für Neubauten genutzt wurde. Jedenfalls kann man
heute noch einige erstaunlich gut erhaltene Gebäude besichtigen,
natürlich gehalten in Akhbars geliebtem (weil reichlich verfügbarem)
Baumaterial - rotem Sandstein.
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