Der Ort Marsala stand relativ weit oben auf unserer Liste, schon wegen des gleichnamigen süßen Speiseweins, den wir sehr gerne mögen und dort zu kaufen gedachten. Die Wahrheit aber ist: Marsala kann man absolut vergessen! Der Ort bietet nichts als Plattenbauten und Industrieanlagen, die zu allem Überfluss auch noch völlig heruntergekommen sind. Und den Wein kann man überall auf Sizilien (und - ehrlich gesagt - auch überall in Münster) kaufen, dafür muss man sich Marsala nicht antun.

Interessant fanden wir lediglich die Salinen in der Umgebung von Marsala, die dem bereits erwähnten Salzabbau dienen.



Touristisch interessanter ist da schon Selinunte, eine archäologische Fundstätte mit Überresten griechischer Tempel aus dem vierten bis sechsten Jahrhundert vor Christus. Die Tempel wurden mit Buchstaben bezeichnet, am besten erhalten ist der Tempel "E".


Doch Vorsicht: Zu sehen ist nicht etwa der Originalzustand. Alle Tempel in Selinunte sind schon vor langer Zeit durch Erdbeben zerstört worden. Man hat einige von ihnen wieder aufgebaut, allerdings auf eine Weise, die jedem Fachmann die Haare zu Berge stehen lassen würde. Von dem oben zu sehenden Tempel "E" z.B. ist bestenfalls die Hälfte historische Bausubstanz, der Rest ist modernen Ursprungs. Auch weiß kein Mensch, ob er ursprünglich 6x15 Säulen hatte, und schon gar nicht, welches Stück wo stand. Man sieht auch sehr deutlich, dass keine einzige Säule ganz ist, sondern sie alle in sechs Elemente zerschnitten sind, die frei Schnauze aufeinander gestapelt wurden.

Bemerkenswert fanden wir die zahllosen Hobbymaler, die es sich um die Tempel herum bequem gemacht hatten. Nach unserem Eindruck handelte es sich nahezu ausnahmslos um deutsche Rentner, die dort ihre Zeit damit verbrachten, miteinander zu schwatzen und gelegentlich den Pinsel kreisen zu lassen. (Ich habe mir die Bilder angesehen, das Meiste erinnerte an "Malen nach Zahlen", aber was soll's, Hauptsache es machte den Akteuren Spaß.)

Weiter ging es nach Sciacca, einem Küstenörtchen im Südwesten von Sizilien. Vom Stadtkern aus hat man einen schönen Blick auf den örtlichen Hafen. Es gab sogar eine Pizzeria mit Ausblick (allerdings wieder mit äußerst mäßigem Essen: ich bekam eine "Pizza tonno", auf der nicht ein Gramm Thunfisch, dafür aber Schinken zu finden war!). Und auch was das Ambiente angeht, so muss man bei der Wahrheit bleiben: Im Reiseführer stand, Sciacca sei ein "kleines Fischerdörfchen" mit "mediterranem Charme". Das ist völliger Quatsch. Es handelt sich um ein Allerweltskaff mit Plattenbauten, heruntergekommenen Häusern und einigen Hotels, die man nur als Bausünden bezeichnen kann. Ich bezweifle, dass es in Sciacca noch einen einzigen Fischer gibt, Fischerboote haben wir jedenfalls keine gesehen. Wie gesagt, der Ausblick ist ganz nett, aber ist das ein "Fischerdörfchen mit mediterranem Charme?":


Immerhin: In einem kleinen Laden fanden wir eine schöne Marsala-Auswahl, wobei uns unsere mittlerweile gewonnene Sizilienerfahrung zugute kam, denn als wir auf der Suche nach einem Restaurant um fünf vor zwölf dort vorbei kamen, haben wir trotz großen Hungers erst noch eingekauft - und richtig, als wir den Laden eine Stunde später wieder passierten, hatte er geschlossen und machte nicht vor 17 Uhr wieder auf. Einkaufen auf Sizilien geht nur von 11 bis 12 und dann wieder von 17 bis 18 Uhr, wenn man sicher gehen will, dass wirklich geöffnet ist. 


Ziel des Tages war Agrigento, genauer gesagt das unweit von Agrigento gelegene "Tal der Tempel". Selbiges entpuppte sich als das bisherige Highlight unserer Reise, wobei es sich streng genommen nicht um ein Tal, sondern um einen ca. 2 km langen Fußweg handelt, entlang dessen sich einige sehr gut erhaltene griechische Tempel und sonstige Überreste der historischen Stadt Akragas (lat. Agrigentum) finden.

Nachstehend zu sehen ist der Heratempel (ein Phantasiename, denn niemand weiß, welcher Gottheit er gewidmet war). Dass wir ihn heute nicht mehr in seiner ursprünglichen, griechischen Form von 450 v. Chr. bewundern können, haben wir den Karthagern zu verdanken, die ihn bereits 406 v. Chr. abfackelten (waren die Karthager eigentlich zu irgend etwas gut außer zum Zerstören?). Immerhin, die Römer bauten ihn im 1. Jahrhundert n. Chr. wieder auf, und immerhin, ein gutes Stück davon hat die folgenden 2.000 Jahre überdauert:


Das "Tal der Tempel" ist ein echtes "Muss" für jeden Sizilienreisenden. Natürlich war auch Goethe hier, als er 1787 die Insel besuchte, und auch er schwärmte in seinem Reisebericht in den höchsten Tönen. Der Concordiatempel bspw. ist eines der am besten erhaltenen Bauwerke der griechischen Antike überhaupt. Im Gegensatz zum Vergleichsobjekt in Selinunte ist hier der nur wenig ausgebesserte Originalzustand von 440 v.Chr. zu bewundern.



Neben der Tatsache, dass er von Erdbeben verschont blieb, verdankt der Concordiatempel seine fortwährende Existenz übrigens Bischof Gregorius von Agrigentum, der ihn 597 n. Chr. als christliche Basilika weihen ließ und damit vor der Zerstörung bewahrte.

Zu sehen ist hier selbstverständlich nur eine kleine Auswahl. Entlang des Weges gibt es zahllose mehr oder minder gut erhaltene Bauten und Ausgrabungen.

Noch ein Tipp: Vor Ort gibt es so gut wie keine Parkplätze. Man muss einen guten Kilometer entfernt parken (5 €) und hat dann die Wahl, ob man ein Taxi für 8 € pro Nase nimmt oder einen recht steilen Fußmarsch antritt. Ich rate unter allen Umständen zum Taxi, denn dieses bringt einen an das andere Ende des vorbeschriebenen, 2 km langen Fußweges, sodass man diesen nur einmal ablaufen muss, anschließend steht man wieder am Parkplatz. Wer vom Parkplatz aus anmarschiert, muss hingegen die 2 km hin und wieder zurück, hat neben dem Anmarsch also auch noch den doppelten Weg im "Valle dei Templi". Das alles bei über 30 Grad - selten habe ich 16 € besser angelegt als für diese Taxifahrt.

Und wo wir gerade bei Empfehlungen sind - unser Hotel war wirklich wunderschön. Nicht leicht zu finden, aber mit einem sehr lauschigen Innenhof und einem wunderbaren Ausblick, wenn man das richtige Zimmer (mit "Temple View") bucht.



Am nächsten Tag hatten wir wieder Regen, dem die Fahrt nach Caltagirone zum Opfer fiel, die eigentlich durch eine viel versprechende Landschaft hätte führen sollen, so aber nur abgerissen werden musste. Caltagirone liegt ein gutes Stück landeinwärts, in recht hügeligem Gebiet. Wir hatten diesmal kein Hotel, sondern ein kleines B&B, in dem wir zunächst auf besseres Wetter warteten, das sich zum Glück auch einstellte, denn um Caltagirone wäre es sehr schade gewesen, wie schon der Blick aus unserem Zimmer erahnen lässt:


Wir hatten das B&B aber nicht nur wegen dieses Ausblicks gebucht (der es sogar in den Reiseführer geschafft hat), sondern auch wegen seiner zentralen Lage unmittelbar an der Freitreppe "Santa Maria del Monte". Man erklärte uns, Caltagirone sei für dreierlei berühmt: diese Freitreppe, das Keramikhandwerk und seine 40 Kirchen. Ich habe die Kirchen nicht gezählt, aber Keramikläden gab es gefühlte 4.000, die meisten davon sehr ordentlich. Man fragt sich nur, wer das alles kauft. Besonders beliebt waren wohl bunte Sonnenblumen- und Traubenmotive.