Hatte ich schon erwähnt, dass wir Cabriofans sind? Wären wir
es nicht ohnehin gewesen, dieser Tag hätte uns zu solchen
gemacht. Auf dem Plan stand nämlich die Fahrt von Moab zum
Bryce Canyon Village, 270 Meilen oder fünf Stunden durch das
Nichts. Würde man diese Strecke nur abreißen, wäre es ein
verlorener Tag. So aber konnten wir offen fahren und bei
schönstem Wetter die Landschaft genießen. Im Dixie National
Forest riecht es nach Wald, und der Capitol Reef
Nationalpark, durch den man fast zwangsläufig kommt, ist
mit seinen rot-weißen Felsformationen ein guter Vorbote des
Bryce Canyon:
Trotzdem, mehr als eine Durchgangsstation ist der Capitol Reef
NP nicht. Läge er irgendwo anders auf der Welt, wäre er
vermutlich eine Top-Attraktion. Aber unmittelbar neben dem
Bryce Canyon ist er das, was Salieri neben Mozart war - ganz
nett, aber zweitklassig. Schon bei unseren ersten beiden
Besuchen dort fand ich den Bryce Canyon schlicht
überwältigend, wie im Märchen. Unglaublich, was die Natur
hervorbringt.
Übrigens stehe ich mit dieser Meinung nicht allein. 1916 kam
Ruby Syrett mit seiner Familie hierher, um eine Ranch
aufzubauen. Einige Wochen nach seiner Ankunft erzählte ihm ein
anderer Rancher, es gäbe da "ein Loch in der Erde", das er
sich vielleicht mal ansehen wolle. Der andere Rancher sprach
vom Bryce Canyon, von dessen Existenz Ruby nichts ahnte.
Nachdem er ihn aber gesehen hatte, blieb ihm der Anblick so
unvergesslich, dass er die geniale Idee hatte, Touristen
hierher zu locken. Heute heißt deshalb nicht nur das größte
Hotel am Platz, sondern der ganze Ort "Ruby's
Inn". In Ruby's Inn übernachteten wir zwei Tage.
Nicht umsonst hatten wir am
Bryce Canyon einen zusätzlichen Tag eingeplant, denn es ist
einfach unmöglich, an einem Tag auch nur einen Überblick zu
gewinnen. Es gibt so viel zu sehen, man weiß gar nicht, wohin
man zuerst schauen soll. Die Bilder oben zeigen beispielsweise
Blicke von den bekanntesten Aussichtspunkten auf den Canyon,
Sunset Point, Sunrise Point und - vielleicht der
allerbeste - Bryce Point. Zwischen Sunset Point und
Sunrise Point führt der schönste Wanderweg der Welt einen
guten Kilometer lang direkt am Rand des Canyons entlang. Man
kann aber auch in den Canyon hinabsteigen und die Felsen aus
nächster Nähe betrachten. Unglaublich, dass auf diesem
sandigen Boden tatsächlich hohe Bäume wachsen (Bild unten
links). Wir wanderten den Navajo-Trail entlang, der
einige Kilometer auf und ab führt und gut zu bewältigen ist.
Hinter jeder Ecke gibt es dort etwas Neues. Und natürlich -
watch out, Arches! - gibt es im Bryce Canyon auch
Natursteinbrücken ("Natural Bridge", unten rechts).
Am Rainbow Point waren wir natürlich auch wieder, schon
deshalb, weil dort
beim letzten Mal Nebel herrschte. Der Rainbow Point
liegt ganz am Ende des Parks, um hinzukommen muss man ca. 15
Meilen fahren. Man sieht ähnlich wie im Mesa Verde NP viel
verbrannten Wald. Im Visitor Center erfuhren wir allerdings,
dass die Waldbrände hier von den Rangern ganz bewusst
gelegt worden sind, um zu verhindern, dass im Fall eines
unkontrollierten Waldbrandes Besucher des Rainbow Point
eingeschlossen werden. Wir haben diese Logik nicht ganz
verstanden. Sicher, zum Rainbow Point führt nur eine schmale
Straße, die im Falle eines Waldbrandes sicherlich unpassierbar
werden könnte. Aber erstens hat es in 100 Jahren Tourismus am
Bryce Canyon noch nie einen Toten oder Verletzten durch einen
Waldbrand gegeben, zweitens sieht man jetzt meilenweit nichts
als verbrannte Bäume, und drittens sollte man in die Natur
vielleicht nicht derart gravierend eingreifen. Zum Rainbow
Point (den ich 2000 und 2002 noch als den
Aussichtspunkt gelobt hatte) muss man daher u.E. nicht
unbedingt fahren, der Weg dorthin ist nicht so schön und die
Aussicht bleibt auch hinter anderen Viewpoints zurück.
Die Trennung vom Bryce Canyon fiel uns nicht leicht. Hat man
noch einmal die Gelegenheit, hierher zurückzukehren? Aber
nachdem wir ein knappes Dutzend Canyons, Parks und Forests
gesehen hatten, freuten wir uns auch auf etwas Wasser, und das
würden wir in Page am Lake Powell, unserer
nächsten Station, zu sehen bekommen. Weniger Wasser als früher
allerdings, denn die Amerikaner gehen mit ihrem wertvollen
Trinkwasser unglaublich verantwortungslos um. Der
Wasserstand des Lake Powell hat sich derart abgesenkt,
dass zwei Häfen an seinem Ufer heute im wahrsten Sinne
des Wortes auf dem Trockenen sitzen. Den früheren Stand kann
man heute noch an den weißen Rändern der umliegenden Felsen
erkennen.
An der Wahweap Marina, unserer Station für die Nacht,
gibt es zum Glück noch genügend Wasser. Die Menügrafik ganz
oben auf dieser Seite zeigt einen Blick von unserem
Hotelbalkon auf den Hafen in der Abendsonne. Übrigens
erdreistet sich die Wahweap Marina noch immer, von jedem
Besucher des Ortes 10$ Eintritt zu verlangen. Man stelle sich
mal vor, Münster würde an jeder Zufahrtsstraße eine Schranke
installieren und Wegezoll kassieren - am Wahweap Marina
gelebte Realität. Immerhin honorieren sie - im Gegensatz zu
ihren indianischen Freunden, auf die ich gleich komme - den
Annual Pass, sodass wir im Ergebnis nichts zuzahlen mussten.
Außerdem ist die Wahweap Marina, an der vor allem Motorjachten
und Hausboote ankern, wirklich sehr schön.
Am Lake Powell war übrigens viel los, vor allem Japaner und -
überraschend - Inder kreuzten in ihren üblichen Rudeln unseren
Weg. Auch viele Amerikaner waren unterwegs, was daran gelegen
haben könnte, dass Labour Day Weekend war. Zum Glück
hatten die Geschäfte trotzdem geöffnet, und so konnten wir uns
mit Baguette, Weintrauben und Frischkäse eindecken und ein
Picknick an einem (zum Glück relativ leeren) Aussichtspunkt am
Lake Powell genießen, genau jenem Aussichtspunkt übrigens, an
dem wir
vor sieben Jahren schon einmal gesessen hatten. As
time goes by...
Die Antilope Canyons, in unmittelbarer Nähe von Page gelegen,
sind anders als die anderen Canyons auf unserer Reise. Und
zwar in jeder Beziehung. Zunächst einmal ist festzuhalten,
dass es zwei Antilope Canyons gibt, den Upper Antilope
Canyon und den Lower Antilope Canyon. Bei dieser
Aufteilung handelt es sich um einen geschickten Trick der
Navajo-Indianer, denen die Canyons unterstehen und die auf
diese Weise zweimal Eintritt verlangen können. Für zwei
Personen kostet die Tageskarte allein zum Lower Antilope
Canyon 52$. Das ist zwar extrem teuer (zum Vergleich:
der staatliche "Annual Pass" kostet 80$, und er berechtigt bis
zu 5 Personen ein ganzes Jahr lang alle staatlichen
Nationalparks zu betreten), aber noch einigermaßen zu
rechtfertigen, denn der Lower Antilope Canyon bietet
Einmaliges. Es fängt schon einmal damit an, dass man in ihn
durch eine schmale Felsspalte einsteigt:
Nur durch diese schmale Öffnung fallen die Sonnenstrahlen in den Canyon.
Dabei ergeben sich wunderschöne Lichtreflexe. Es macht
einfach großen Spaß, sich durch die extrem schmale Schlucht zu
zwängen und hinter jeder Kurve einen neuen Anblick geboten zu
bekommen. Übrigens ist die Sache nicht ganz ungefährlich, bei
Regen läuft der Canyon blitzartig voll. Vor einigen Jahren
sind hier einmal Dutzende Touristen innerhalb weniger Minuten
ertrunken. Auch wir haben bei unserem ersten Besuch am
Antilope Canyon erlebt, dass das Wetter sehr schnell umschlagen
kann. Davon konnte an diesem Tag, der nichts als Sonne zu
bieten hatte, glücklicherweise aber keine Rede sein.
Wenn man im Lower Antilope Canyon war, kann man sich den Upper
Antilope Canyon zu 100% schenken. Erstens ist der Lichteinfall
dort jedenfalls im August/September weitaus weniger
spektakulär, zweitens ist er viel breiter, sodass man um das
"Abenteuer" des Kletterns und Durchzwängens gebracht wird,
drittens wird man mit staubigen Jeeps von den Navajos dorthin
gekarrt, viertens ist die Besichtigung nur in Begleitung einer
nervigen (und völlig ahnungslosen) Navajo-Führerin möglich,
fünftens muss man eine Stunde dort ausharren, selbst wenn man
nach 10 Minuten festgestellt hat, dass es im Grunde nichts zu
sehen gibt, und sechstens sind die 62$ Eintritt für zwei
Personen einfach ein schlechter Witz. Nur zum Beweis, dass wir
wirklich dort waren, hier die beiden brauchbaren Fotos, zu 31$
das Stück:
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