Chnum-Tempel
in Esna
Der Chnum-Tempel in Esna war vom Schiff aus leicht zu
Fuß zu erreichen. Zwar musste man sich durch eine
schmale, von zahllosen Händlern
bevölkerte
Geschäftsstraße schlagen, doch so früh am morgen
blieben selbst die tüchtigen Ägypter noch
verhältnismäßig ruhig. Der Tempel selbst liegt etwas
tiefer als das Stadtniveau, sodass man ihn direkt aus
der Vogelperspektive in Augenschein nehmen kann. Auf den
ersten Blick fiel mir nichts Besonderes auf, und doch
weiß der Experte, dass dieser Tempel über 1000 Jahre
jünger ist als alles, was es in und um Luxor zu sehen
gab. Wir haben es mit einem ptolemäisch-römischen
Tempel zu tun, der erst 249 n.Chr. endgültig fertig
gestellt wurde. Nur die erste Säulenhalle ist erhalten,
diese dafür sehr gut.
Die römischen Besetzer übernahmen von ihren
Vorgängern, den Griechen, einen einfachen Trick um sich
die Ägypter gewogen zu halten: Sie ließen ihnen ihre
Religion, ja förderten diese sogar mit Tempelbauten.
Der Tempel in Esna etwa ist dem Schöpfergott Chnum
gewidmet. In der Säulenhalle erzählen die sehr gut
erhaltenen Hieroglyphen dann auch die Geburt eines
Menschen, wie die Ägypter sie sich vorgestellt haben.
Sie beginnt mit Chnum, der mit seiner Töpferscheibe den
Menschen entwirft (Bild links), und endet mit der
Darstellung der jungen Mutter, die ihr Neugeborenes in
Händen hält.
Auf dem Rückweg brannten dann die Händler in der
Geschäftsstraße ein Feuerwerk ab, das selbst in
Ägypten seinesgleichen suchte. Die wussten genau, dass
man auf dem Hinweg keine Zeit für Geschäfte hatte,
weil man dem Reiseführer hinterher musste. Auf dem
Rückweg zum Schiff sahen sie dann ihre Stunde gekommen.
Tatsächlich haben sich auch einige aus unserer Gruppe
erweichen lassen.
Wesentlich ruhiger verlief dann die Bootsfahrt nach Edfu.
Unser Schiff verfügte über eine große Sonnenterrasse,
auf der man herrlich relaxen, das Nilufer beobachten
oder ein gutes Buch lesen konnte. An der Bar wurden
günstige Drinks serviert, und gegen fünf gab es immer
eine Teestunde mit leckerem Kuchen. Hoch lebe die
Vollpension.
Horus-Tempel
in Edfu
In Edfu erwartete uns ein Abenteuer der besonderen Art.
In der Reisebeschreibung stand eine Fahrt mit der
Pferdekutsche zum örtlichen Horus-Tempel. Die
Reiseleitung entschied sich allerdings kurzfristig für
eine Busfahrt, weil die Pferdekutscher des öfteren
Touristen regelrecht erpresst haben, ihnen üppige
Trinkgelder zu geben. Außerdem soll es wohl zu einigen
Unfällen gekommen sein, und wer die Pferdekutschen
gesehen hat, der weiß warum: Klapprige Räder, noch
klapprigere Pferde und Kutscher, die kein Risiko
scheuen! Um sie herum rasen Autos, Busse, Mofas und was
sonst noch so fährt in jede beliebige Richtung. Wir
saßen im Bus ganz vorn und kamen uns vor wie auf der
Achterbahn. Man muss es erlebt haben, beschreiben kann
man den Verkehr nicht.
Der Horus-Tempel ist griechischen Ursprungs, aus der
Zeit von 257 bis 237 v.Chr. Alexander der Große
eroberte 332 v.Chr. Ägypten und gründete die neue
Hauptstadt Alexandria. Sein General Ptolemäus
begründet die Dynastie der Ptolemäer, an deren Ende
300 Jahre später Kleopatra stehen würde. Die Griechen
haben, wie schon erwähnt, den Ägyptern ebenso ihre
Religion gelassen wie die Römer nach ihnen. Mit einer
Einschränkung: Alexander behauptete, wie die Pharaonen
vor ihm von den Göttern abzustammen und daher selbst
göttlich zu sein. Anscheinend hoffte er auf diese Weise
die Treue der Ägypter zu gewinnen. Geglaubt hat ihm
diesen politischen Trick wohl niemand, und ob der
Tempelbau die Zuneigung der Ägypter gefördert hat,
wage ich nicht zu beurteilen.
Jedenfalls war der Horus-Tempel der vielleicht am besten
erhaltene Tempel der ganzen Reise. Sehr imposant ist
schon die Fassade, und die bestens erhaltenen Hieroglyphen erzählen
viele spannende Geschichten, darunter die
Legende von Horus, Osiris,
Isis und Seth, die wohl jeder
Ägypter kennt: Der gute Osiris und der böse Seth waren
Söhne des Sonnengottes Ra. Seth
brachte Osiris
zweimal heimtückisch um. Beim ersten Mal lockte
er ihn in einen Sarg, den er im Nil versenkte, doch Isis,
die Gattin des Osiris, rettete ihn (erste
Wiederbelebung). Beim zweiten Versuch wurde es richtig
brutal: Seth zerstückelte Osiris in 14 Teile, die der
Nil fortspülte. Isis sammelte 13 Teile wieder ein, doch
ausgerechnet Osiris' bestes Stück blieb verschollen.
Anubis eilte ihr zur Hilfe und formte aus fruchtbarem
Nilschlamm einen Ersatzpenis für Osiris (zweite
Wiederbelebung), mit dem dieser seinen Sohn, den
falkenköpfigen Horus zeugte. Horus rächte Osiris
später, indem er Seth besiegte.
Doppeltempel
in Kom-Ombo
Über
Nacht fuhren wir mit dem Schiff weiter nach Kom Ombo, wo
in aller Frühe die Besichtigung des Doppeltempels von
Horus und Sobek auf dem
Programm stand. Eine seltsame Kombination, der
falkenköpfige Doktorgott Horus und der krokodilköpfige
Wassergott Sobek. Überhaupt waren Doppeltempel nicht
eben häufig. Anscheinend wollte man sich nicht den
Göttern gegenüber dem Vorwurf übertriebener
Sparsamkeit aussetzen. Der Tempel in Kom Ombo war
jedenfalls der dritte griechisch-römische in Serie.
Seinen Reiz zieht er zum einen aus den einmaligen
Inschriften an den Wänden. Diese zeigen u.a. einen
vollständigen ägyptischen Kalender. Zum anderen gibt
es zwei interessante Nebenanlagen: Eine scherzhaft
"Nil-o-Meter" genannte Grube, mit deren Hilfe
der Wasserstand des Nils gemessen werden konnte, und ein
Gebäude mit mumifizierten Krokodilen. Viel Zeit für
den Tempel blieb aber nicht, denn das Schiff musste
schleunigst nach Assuan weiter, wo uns noch ein strammes
Programm bevorstand.
Bilder:
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