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Anreise
Der Abschnitt zwischen Kom Ombo und Assuan soll der
schönste Teil des Nils sein, und ich kann nur
bestätigen, dass der Kontrast aus Flora
und Wüste hier besonders reizvoll ist. Überhaupt muss
einmal festgehalten werden, dass die Stunden auf dem Nil
einfach genial waren. Man konnte total entspannen, das
Wetter war schön, und es gab viel zu sehen. Gegen
Mittag erreichten wir Assuan, die südlichste Stadt
Ägyptens und zugleich das Endziel unserer Kreuzfahrt.
Hier war die Hafeneinfahrt besonders interessant. Im auf
der Ostseite des Nils gelegenen Hafen tummelten sich
neben anderen Kreuzfahrtschiffen zahllose Nilfelukken,
die als Fähre, zum Warentransport oder zum Fischen
eingesetzt werden. In die auf der Westseite gelegene
Hügellandschaft sind Stollengräber hoher Adeliger
getrieben worden, deren Eingänge wie zahllose kleine
Löcher in einem Ameisenhaufen wirkten, und auf einem
der Hügel thronte bereits von weitem sichtbar das
Mausoleum des Aga Khan.
Staudamm
In Assuan
selbst stand als
erstes eine Fahrt zum weltberühmten Assuan-Staudamm auf
dem Programm. Eigentlich gibt es zwei Staudämme: Der
ältere ist 2 km lang, 50 m hoch, an der Basis 30 m
breit und verfügt über 180 Schleusentore. Er wurde um
1900 von den Briten gebaut und zweimal erweitert. Wenn
man von "dem" Assuan-Staudamm spricht, meint
man jedoch den Hochdamm, der unter Nasser 1960-70 mit
Hilfe der Russen entstand. Er ist 3,8 km lang, 111 m
hoch, an der Basis 980 m breit und hat keine Schleusen.
Vor dem Staudamm ist also Schluss mit der Schifffahrt.
Hinter ihm entstand durch den angestauten
Nil der Nassersee, der die für einen künstlichen
Binnensee atemberaubende Länge von 550 km aufweist,
also bis in den Sudan hinein ragt.
Der Staudamm war das mit Sicherheit umstrittenste
Projekt in der modernen Geschichte Ägyptens, denn unter
dem Nassersee soff immerhin ganz Nubien
mit 100.000 Einwohnern ab. Die Umsiedlung der mit ihrer
Heimat so fest verwurzelten Nubier war sicher eine
besondere Härte. Fast schon makaber ist allerdings die
Tatsache, dass weniger das Schicksal dieser Menschen die
Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit erregt hat, als
vielmehr die drohende Überschwemmung der Tempel von
Philae und Abu Simbel (dazu später mehr).
Wirtschaftlich war der Staudamm aber
überlebensnotwendig für Ägypten. Er garantiert die
Wasserversorgung des Landes und ist untrennbar mit dem
gewissen industriellen Aufschwung verbunden, der
Ägypten vom Entwicklungs- zum Schwellenland gebracht
hat. Das in allen Reiseführern nachzulesende Fotoverbot
entpuppte sich übrigens als Unsinn. Der Staudamm ist
zwar militärisch kontrolliert, aber für harmlose
Touristen existiert sogar ein eigener Aussichtspunkt mit
schönem Blick auf den Nassersee.
Philae-Tempel
Nach der Besichtigung des Staudamms fuhren wir mit Ausflugsbooten
zum auf einer
kleinen Insel gelegenen Philae-Tempel, welcher der
Göttin Isis
gewidmet ist.
Der ursprüngliche Standort des Tempels auf der Nilinsel
Philae wurde schon infolge des ersten Staudammbaus ab
1898 für 10 Monate im Jahr komplett überschwemmt. Noch
heute kann man an der Fassade sehen, dass das Wasser dem
Tempel buchstäblich bis zum Halse stand. Durch den
Hochdamm wäre der Tempel endgültig untergegangen; er
wurde jedoch von der UNESCO in einer achtjährigen
Rettungsaktion auf die höher gelegene Insel Agilkia
versetzt, die zu diesem Zweck erst eingeebnet werden
musste. Der Tempel selbst wurde komplett zersägt,
verladen und wieder aufgebaut. Eine reife Leistung.
Die ganze Anlage sieht auf der Insel sehr schön aus,
weil der Tempel sehr gut erhalten ist und man rundherum
das Wasser sieht. Der Tempeleingang hat uns optisch
stark an den Horus-Tempel in Edfu erinnert. Napoleons
Soldaten haben sich übrigens im Torbogen durch Graffiti
verewigt. 553 n.Chr. wurde der Tempel in eine Kirche
umgewandelt. In seinem Inneren finden sich daher heute
die Reste eines Altars. Unmittelbar neben dem
Philae-Tempel steht noch ein weiterer, Hathor
gewidmeter Tempel.
Unfertiger
Obelisk
Vor den Toren Assuans befanden sich die einzigen den
alten Ägyptern bekannten Granitsteinbrüche. Alle
Obelisken sind aus Granit, weil der sonst
gebräuchliche Kalksandstein viel zu weich ist, als dass
man ihn auf 30-40 m Länge an einem Stück aus dem Fels
hauen könnte. Zu den alten Hauptstädten Theben und
Memphis mussten die Granitblöcke also mit Schiffen
hunderte von Kilometern den Nil hinauf transportiert
werden. Ich kann die logistische Leistung, die hinter
einem solchen Transport steht, noch immer nicht
begreifen. Ein durchschnittlicher Obelisk wiegt
vielleicht 300 Tonnen. Diese Masse heil an einem Stück
mit primitiven Werkzeugen (nochmals: Es gab kein Eisen)
aus dem Fels zu hauen, grenzt an ein Wunder. Man hat
wohl zunächst 3 Seiten freigemeißelt, dann unter dem
Obelisken durchgegraben und von unten Stück für Stück
die letzte feste Verbindung mit dem Erdboden abgetrennt.
An einem unfertigen Obelisken, den wir in den
Steinbrüchen bewundern konnten, kann man diese Technik
hervorragend sehen. Er soll angeblich von Thutmosis
III. für den Karnak-Tempel bestimmt gewesen sein.
Es wäre der größte Obelisk aller Zeiten mit 43 m
Länge und einem Gewicht von 1150 Tonnen geworden.
Leider brach er an verschiedenen Stellen und wurde daher
aufgegeben.
Ein fast noch größeres Wunder als das Herausmeißeln
ist für mich der Transport und das Aufstellen eines
Obelisken. Die Ägypter hatten an Schiffen nur mit
Seilen gebundene Holzbarken. Natürlich kannten sie auch
keinen Flaschenzug; selbst das Rad war in Ägypten erst
ab ca. 1600 v.Chr. bekannt. Wie konnte man also
ernsthaft davon ausgehen, einen solchen Koloss wie den
unfertigen Obelisken verschiffen und aufrichten zu
können? Niemand weiß es genau. Es gibt hierzu auch
keine Überlieferungen in Hieroglyphen. Am
wahrscheinlichsten dürfte der Einsatz einer schiefen
Ebene, unterstützt von Seilen, gewesen sein (mehr
Infos).
Kitchener
Insel
Nach der Besichtigung des Steinbruchs ging es zurück
zum Hafen, wo wir mit Nilfelukken zur botanischen Insel
übersetzen sollten. Leider herrschte ausgerechnet heute
Windstille, so dass wir auf Motorboote ausweichen
mussten. Bedauerlich, aber nicht zu ändern. Bei dieser
und einigen anderen Gelegenheiten zeigte sich übrigens
die hervorragende Organisation der Reise, denn der
Wechsel vollzog sich für uns unmerklich und ohne
Verzug.
Die botanische Insel wurde von Lord Kitchener angelegt,
einem Engländer, der hier zu Zeiten der britischen
Besatzung das Sagen hatte. Auf die Ägypter, die nur
karge Wüste gewohnt sind, wirkt die zum ganz
überwiegenden Teil importierte Flora nach eigener
Aussage noch heute wie ein Wunder. Wir nutzten den
kurzen Aufenthalt zu einem Spaziergang durch den Garten
und für ein kaltes Getränk.
Bootstörn
auf dem Nil
Im Anschluss teilte sich die Reisegruppe, denn es stand
noch eine optionale Bootsfahrt durch die Umgebung auf
dem Programm, die mit Zusatzkosten (12 Euro)
verbunden war. Während also ein Teil schon zurück zum
Nilkreuzer gebracht wurde, schifften wird uns auf einem
kleinen Boot ein, das von Kitchener Island ablegte. Die
Verhältnisse in dem kleinen Inselhafen waren dabei so
chaotisch, dass sogar Mohamed für einen Moment über
sicherlich zwei Dutzend sich wahllos kreuzender, be- und
entladender Boote die Übersicht verlor. Schließlich
gelang es ihm aber doch, durch lautes Brüllen einen
Bootsführer auf uns aufmerksam zu machen, und über ein
anderes Boot hinweg kletterten wir auf einem schmalen
Holzsteg an Bord. Dass niemand von den älteren
Herrschaften unserer Gruppe dabei ins Wasser gefallen
ist, wundert mich noch heute.
Die Bootsfahrt selbst gehörte dann zu den Höhepunkten
der Reise. Man glitt im Abendrot auf dem Nil dahin. Wir
konnten auf das Dach des Bootes klettern und saßen dort
fast eine Stunde ganz allein. Sehr romantisch. An einem
kurzen Zwischenstopp legte gerade eine Kamel-Karawane
von einem Nubier-Dorf in Richtung Wüste ab. Auch das
Mausoleum von Aga Khan bekamen wir noch einmal zu sehen,
sogar aus deutlich besserer Perspektive als vom Hafen
aus. Zu besichtigen ist es aber seit einiger Zeit nicht
mehr. Nach Sonnenuntergang wurde es dann recht kühl an
Bord. Gegen 19 Uhr setzte uns der Bootsführer direkt an
der "Crown Emperor" ab, wobei das
Anlegemanöver mindestens so spektakulär war wie das
Ablegen. Aber wie durch ein Wunder haben auch das alle
schadlos überstanden.
Vor dem Schlafengehen hieß es dann noch Koffer packen,
denn am
nächsten Tag stand ja schon die Ausschiffung an. Und da
wir uns für den optionalen Ausflug nach Abu Simbel
entschieden hatten (85 Euro), würden wir um 2.45 Uhr
(!) geweckt werden. Da blieb natürlich wenig Zeit für
Experimente.
Bilder:
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Der Hafen von Assuan.

Nilfelukke vor den Adelsgräbern auf Elephantine.

Aga Khan Mausoleum.

Die Weiten des Nassersees.

Philae-Tempel vom Boot aus.

Der unfertige Obelisk im Steinbruch bei Assuan.

Im Garten der Kitchener-Insel.

Impression aus der abendlichen Bootsfahrt auf dem Nil.
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