Planung
China durchlebt eine spannende Zeit. Seit die kommunistische Partei sich 1978 unter Deng Xiaoping entschloss, das Land für westliche Investoren zu öffnen und die soziale Marktwirtschaft einzuführen, geht es mit der Wirtschaft steil aufwärts. Gleichzeitig kommen immer mehr Touristen nach China, angelockt von ihrem Interesse an der fremden Kultur und den einmaligen Sehenswürdigkeiten. Uns ging es nicht anders, und nachdem das Studium einschlägiger Prospekte relativ schnell ergab, dass man heute auf einen gewissen Komfort nicht mehr verzichten muss, stand unser Entschluss fest: Wir reisen nach China! Die beste Reisezeit liegt im chinesischen Frühling (April und Mai) oder Herbst (September und Oktober), wo das Klima überwiegend gemäßigt und trocken ist. Wir entschieden uns deshalb für die letzte April- und die erste Maiwoche. Eine geführte Tour sollte es sein, da wir uns eine selbstständige Orientierung als China-Anfänger ohne Kenntnisse der chinesischen Sprache und Schrift nicht zutrauten. Sie sollte durch die großen Städte wie Shanghai und Beijing führen, eine Kreuzfahrt auf dem Jangtse beinhalten und uns Sehenswürdigkeiten wie die legendäre Terrakotta-Armee zeigen.

Ankunft
Nach dem zehnstündigen Flug von Frankfurt nach Shanghai lernten wir am Flughafen unsere Reisegruppe (26 Personen) und die Reiseleiterin kennen, eine Chinesin, die sich uns als Beate Wang vorstellte. Natürlich hieß sie nicht wirklich Beate, aber dieser deutsche Name kam von der Aussprache her ihrem chinesischen Vornamen am nächsten, und da ihr "Frau Wang" zu förmlich erschien, schlug sie vor, dass wir einfach Beate zu ihr sagen sollten. Schnell stellte sich heraus, dass sie nicht nur unkompliziert, sondern auch ausgesprochen nett und kompetent war. Sie sprach zudem sehr gut Deutsch, was natürlich wichtig (und, wie wir im Laufe der Reise bei einigen örtlichen Reiseleitern erfahren sollten, offenbar nicht selbstverständlich) ist. Dass wir mit der Reiseleiterin großes Glück hatten, darin war sich die Gruppe am Ende einig.

Fahrt im Transrapid
Nach dem Kennenlernen stand schon das erste Highlight an: Der Transfer vom Flughafen zum Hotel mit dem Transrapid. Es soll ja Deutsche geben, die extra nach Shanghai reisen, um die Magnetschwebebahn von Siemens und Thyssen-Krupp einmal im Einsatz zu erleben. Dazu gehören wir zwar nicht, aber wenn man schon mal da ist... Der Transrapid heißt in Shanghai übrigens "Maglev Train" (kurz für "magnetic levitation train"). Äußerlich unterscheidet ihn bis auf das Fahrwerk nichts von einem normalen Zug. Für die gut 30 km vom Flughafen bis in die Stadt benötigt er 7:30 Minuten und erreicht dabei immerhin 431 km/h. Von dieser irren Geschwindigkeit merkt man als Fahrgast kaum etwas, zumal der Zug die Spitzengeschwindigkeit auf der kurzen Strecke nur ca. 40 Sekunden hält, bevor er wieder abbremst. Trotzdem war es ein sehr interessantes Erlebnis, einmal im Transrapid gefahren zu sein.

Bund
Von der Transrapid-Haltestelle fuhren wir mit dem Reisebus zum "Bund", wie die Uferstraße auf der Westseite des Huangpu-Flusses im Herzen Shanghais genannt wird. Die Titelgrafik dieses Reiseberichts ist übrigens ein verfremdetes Panoramafoto vom Bund. Hier befinden sich auch die ältesten Gebäude der Stadt, u.a. das ehemalige Britische Konsulat von 1873 und das bekannte "Peace-Hotel" von 1929. Vom Bund aus hat man einen hervorragenden Blick auf das neu entstandene Gewerbeviertel Pudong an der gegenüberliegenden Ostseite des Huangpu, das die Chinesen in nur 15 Jahren aus dem Boden gestampft haben. Kaum zu glauben, dass hier noch 1990 Bauern ihre Reisfelder bepflanzten. Aus der imposanten Skyline Pudongs ragt der "Oriental Pearl"-Tower heraus, ein Fernsehturm, der mit seinen 468m Höhe das höchste Gebäude Chinas darstellt. Angesichts des Baubooms, den wir in Shanghai ebenso wie überall sonst in China beobachten konnten, wird er es jedoch vermutlich nicht mehr lange bleiben.

Bund und Pudong:
 

 

   
  Südseite des Bund Pudong vom Bund aus   

Lichterfahrt
Nach dem Check-In im Hotel kehrten wir am Abend im Rahmen einer Lichterfahrt noch einmal hierher zurück. Die Gebäude am Bund und in Pudong werden nämlich beleuchtet und boten einen imposanten Anblick. Nicht weniger interessant war die Fußgängerzone mit ihren riesigen Leuchtreklamen und der auch zu später Stunde noch herrschenden Betriebsamkeit.

Shanghai bei Nacht:
 

 

Einkaufsstraße Oriental Pearl Brunnen vor dem
Shanghai Theater
Ausflugsschiff auf dem
Huangpu

Yu Garden
Am nächsten Tag ging es bei diesigem Wetter zunächst in den Yu Garden, zu deutsch "Garten der Zufriedenheit". Angelegt 1559-1579 als Alterssitz für einen hohen Beamten der Ming-Dynastie, ist der Yu Garden bis heute einer der schönsten Parks in Shanghai, mit viel Grün und zahlreichen gut erhaltenen Pavillons im alten chinesischen Baustil. Von den ursprünglich 6 km2 sind allerdings nur noch 2 km2 erhalten. Als Europäer wundert man sich, warum die Eingänge zu allen Pavillons über sicherlich 20-30 cm hohe Schwellen verfügen, die für Alte und Behinderte nur schwerlich zu überwinden sind und auch für unachtsame Touristen echte Stolperfallen darstellen. Diese Schwellen hatten historisch drei Funktionen: Sie sollten erstens böse Geister fern halten, denn Geister können nicht über Schwellen steigen. Sie sollen zweitens das Glück im Hause halten, denn Glück kann auch nicht über die Schwelle hinaus fließen. Und drittens sollen sie den Besucher gleich zu einem sanften Diener nötigen, der beim hohen Schritt über die Schwelle unausweichlich ist. Wen kümmert da schon ein Bänderriss? Dem Fernhalten böser Geister dient auch die Zickzackbrücke am Haupteingang des Gartens, die in neun Zügen über einen Karpfenteich zu einem Teehaus führt. Dass Chinesen etwas abergläubisch sind, sollte uns noch mehrfach vor Augen geführt werden.
 


 

Im Yu Garden
 
Zickzackbrücke



 

Yu Garden - Garten der Zufriedenheit:
 

 

Jadebuddha-Tempel
Nicht weniger interessant als der Yu Garden war die Besichtigung des Jadebuddha-Tempels, die anschließend auf dem Programm stand. Zwar sind nur 13% der Chinesen Buddhisten; damit ist der Buddhismus aber bereits die größte Religion in China (170 Mio Gläubige), das - wie alle kommunistischen Staaten - offiziell atheistisch ist. Hier ist nun nicht der Ort, um über den Buddhismus zu referieren; gelernt habe ich aber immerhin, dass seine Gründung auf Siddhartha Gautama, den historischen Buddha, zurückgeht, der im 5. Jahrhundert v. Chr. in Nordindien lebte. Dieser sah sich nicht als Gott, sondern als Prophet einer Lehre, die besagt, dass der Mensch aus dem Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt nur ausbrechen kann, wenn er in das "Nirvana", einen Zustand vollkommener Reinheit und Erkenntnis, gelangt. Dies sei vor allem durch Meditation zu erreichen, die dem Menschen helfen soll, alle weltlichen Begierden abzulegen. Buddha wird in vielen Gestalten abgebildet; am bekanntesten - weil in jedem Chinarestaurant zu finden - ist der dicke Buddha mit dem Sorgenbauch, der für Glück und Fröhlichkeit steht.

Im Jadebuddha-Tempel gibt es neben zahlreichen anderen auch zwei Buddha-Statuen aus Jade. Die weitaus schönere und imposantere Statue (Bild links, Quelle: Postkarte) zeigt Buddha meditierend im Lotussitz und ist 1,90 m hoch. Der zweite, liegende Buddha (Bild rechts, Quelle: Postkarte) ist "nur" 96 cm lang. Beide sind aus einem weißen Stück Jade geschnitzt. Sie kamen 1882 nach Shanghai, 1911 baute man für sie den Tempel, wobei mit "Tempel" nicht nur ein Gebäude, sondern eine ganze Anlage gemeint ist. Dort geben sich mittlerweile Touristen und Gläubige die Klinke in die Hand. Im Innenhof kann man rote Wunschbändchen an den Bäumen anbringen. Aufgefallen ist mir noch, dass man überall Hakenkreuze sah, die unter uns Deutschen unangenehme Assoziationen weckten. Im Buddhismus sind sie jedoch einfach ein Sonnensymbol, das mit Adolf und Konsorten - selbstverständlich - nicht das Geringste zu tun hat.
 

Im Jadebuddha-Tempel:
 

 

   
  Buddhas mit Hakenkreuz
auf der Brust
Wunschbänder im Innenhof   

Gegen Ende des Tages besichtigten wir noch eine Seidenspinnerei (Bild links) - die erste von zahlreichen Veranstaltungen, die dem geneigten Touristen lokale Bräuche und Kunstfertigkeiten näher bringen, ihn m.E. aber vor allem zum Kaufen animieren sollten. Schon auf unserer Ägypten-Tour war mir aufgefallen, dass die Reiseführer ihre Gruppen mit Vorliebe in solche Läden locken, und ich halte jede Wette, dass sie am Erlös kräftig beteiligt werden. Gut, richtig gestört hat es mich nicht, und man muss ja auch nichts kaufen. Auch habe ich zu konstatieren, dass einige unserer Reisegefährten sich fleißig mit Seidentüchern, -hemden und dergleichen eindeckten, sich über die Erwerbsmöglichkeit also durchaus gefreut haben dürften.

Am nächsten Tag hieß es bereits Abschied nehmen von Shanghai - der Flieger nach Yichang ging gegen 12 Uhr. Zum Glück blieb Vormittags noch etwas Zeit, auf eigene Faust zum Bund zurückzukehren und dort - bei bestem Wetter und verhältnismäßig wenig Andrang - den Blick auf Pudong zu genießen. Zu dieser frühen Zeit waren überall Chinesen zu beobachten, die einzeln oder in Gruppen in aller Öffentlichkeit tanzten und/oder meditierten. Tai Chi ist in China offensichtlich Volkssport. Manche betrieben sogar den Aufwand, sich zu kostümieren oder mit Fächern auszustatten (Bild unten). Ein schöner, fremdartiger Anblick.

Morgens am Bund: