Einschiffung
Der einstündige Flug von Shanghai nach Yichang verlief problemlos, und nach einer weiteren Stunde Busfahrt erreichten wir am späten Nachmittag die "Emperor", unser Schiff, mit dem wir die nächsten dreieinhalb Tage den Jangtse hinauf schippern würden. Der Jangtse ist mit über 6.300 km Länge nach Nil und Amazonas der drittlängste Fluss der Welt (und mit Abstand der längste nur durch ein Land fließende). Nur knapp die Hälfte ist schiffbar. Die "Emperor" sollte laut Reiseleitung eines der besten Schiffe auf dem Jangtse sein, und ein optischer Vergleich mit anderen Schiffen ergab, dass wir es in der Tat noch wesentlich schlechter hätten treffen können. Dennoch kam auch die "Emperor" nicht an den Standard heran, den wir etwa von unserer Nilfahrt gewohnt waren. Die Betten etwa waren extrem hart, eine Pritsche geradezu, und der "Pool" auf dem Sonnendeck entpuppte sich als Badewanne. Auch hätte man auf dem Sonnendeck ruhig ein paar Liegen aufstellen dürfen, das hätte es den Gästen erspart, selbst Stühle aus ihren Kabinen nach oben schleppen zu müssen. Immerhin war die Besatzung sehr freundlich und das Essen in Ordnung. Wer besonderen Wert auf Komfort legt, sollte sich die Jangtse-Fahrt aber lieber schenken.

Drei-Schluchten-Staudamm
Bevor es am nächsten Tag "Leinen los" hieß, stand zunächst die Besichtigung des berühmt-berüchtigten Drei-Schluchten-Staudamms an, mit dem die Chinesen ihre Trinkwasser-, Energie- und Überflutungsprobleme zu lösen hoffen. Knapp zwei Millionen Menschen müssen dafür umgesiedelt werden, ganze Landstriche werden geflutet. Die Idee für einen Staudamm wurde schon 1919 geäußert, ließ sich wegen der politischen Wirren in China aber nie realisieren. Erst die Öffnung nach Westen in den 80er Jahren brachte das Know-how und die ökonomischen Ressourcen zur Realisierung des Projekts. Nach einem Jahrzehnt Planung und Vorarbeit wurde 1994 mit dem Bau begonnen. 1997 wurde der Fluss geschlossen, 2003 die erste Turbine in Betrieb genommen. Ab 2009, wenn die letzte Staustufe fertig gestellt sein wird, staut sich das Wasser des Jangtse 175m hoch. Touristen haben freien Zugang zum Staudamm, wenngleich das Militär präsent ist. Am Rande der Anlage hat man sogar ein kleines Touristenzentrum mit einem Aussichtsplateau errichtet, das recht geschmackvoll in eine Grünlandschaft eingebettet ist.

Drei-Schluchten-Staudamm:
 


 

   
  Aussichtsplateau Drei-Schluchten-Staudamm  

Die drei Schluchten
Nach dem Mittagessen an Bord hieß es dann "Leinen los", und die Emperor machte sich auf ihren Weg durch die drei Schluchten, welche dem Staudamm seinen Namen geben. Zwei davon bekamen wir noch am ersten Tag zu sehen: Die Xiling-Schlucht ist mit 76 km die längste, die mittlere Wu-Schlucht, auch "Hexenschlucht" genannt, die vielleicht schönste weil abwechslungsreichste der drei. Beinahe jeder Gipfel in der Wu-Schlucht hat einen eigenen Namen, weil die Chinesen in ihnen Drachen, Wasserbüffel, Hexen und andere Gestalten entdecken. Für uns blieben es meistens nur Felsen. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass der Jangtse gegen Ende der Trockenzeit ca. 4m Niedrigwasser führte, was sich an einem hellen Streifen am Fuße der Felsen bemerkbar machte. Wegen des Niedrigwassers schimmerte der Fluss grünlich, während ihn in der Regenzeit das aufgeschwemmte Flussbett und der Schlamm aus Bodenerosionen bräunlich färben.

Auf dem Jangtse:
 


 

Xiling-Schkucht Wu-Schlucht Fischerboot

Am zweiten Tag unserer Kreuzfahrt auf dem Jangtse stand ein Ausflug mit einem Erbsenschalenboot auf einem Nebenfluss an, der durch drei kleinere Schluchten führte. Dieser Bootstörn hat uns viel Spaß gemacht, weil das diesige Wetter endlich herrlichem Sonnenschein gewichen war und die engen Schluchten in unserem kleinen Boot ein besonders intensives Naturerlebnis boten. Am Ufer konnten wir einmal sogar wild lebende Affen ausmachen, und die Chinesen hatten extra einen Bläser irgendwo im Felsen deponiert, der jedes Boot mit seinem Horn begrüßte. Special Effects auf chinesisch! Beate erzählte uns, dass das Fremdenverkehrsamt früher noch eine alte Bäuerin engagiert hatte, die mit ihrer Kiepe auf dem Rücken immer am Ufer auf und ab lief, damit die Touristen dachten, sie würden ein Stück vom alten China hautnah erleben. Nun sei die Alte aber zu alt geworden und habe ihren Dienst quittiert. Pech für uns. Zum Ausgleich gab unser Bootsführer aber mitten auf dem Fluss noch ein Ständchen, dem Benehmen nach ein chinesisches Volkslied. Großartig! Ohne Zugabe ließen wir ihn natürlich nicht davonkommen. Zurück an Bord der Emperor ging es dann noch durch die Qutang-Schlucht, ihres Zeichens die dritte, mit 8 km kürzeste und gleichzeitig letzte Schlucht auf unserer Fahrt.

In den drei kleinen Schluchten:
 


 

Impression 1 Erbsenschalenboote Impression 2

Fengdu-Tempel
Für den nächsten Tag stand eine Besichtigung des Fengdu-Tempels auf dem Programm. Die Stadt Fengdu am Jangtse wurde "Geisterstadt" genannt, seit sie 1870 von einem Hochwasser überflutet und für einige Zeit von ihren Bewohnern aufgegeben wurde. Dasselbe Schicksal ereilte sie 2003 durch den neuen Stausee nun endgültig. Zum Glück befindet sich der Fengdu-Tempel jedoch oberhalb der versunkenen Stadt, sodass ihm dieses Atlantis-Feeling erspart blieb. Zu ihm führen einige hundert Stufen hinauf; wer weniger gut zu Fuß ist, kann eine bequeme Seilbahn benutzen. Dies war besonders für unsere Reiseleiterin Beate förderlich, die sich am Morgen den Fuß verknackst hatte und nur mit Mühe gehen konnte.

Der Tempel dient sowohl den Buddhisten als auch den Daoisten zur Pflege ihrer Religionen, denen ja das Streben nach Erleuchtung durch Meditation gemeinsam ist. Im Tempel hat man sich - offensichtlich für die Touristen - einige kleine Aufgaben ausgedacht, deren Bestehen Glück bringen soll. So muss man eine Brücke (man kann wählen zwischen der Brücke für Gesundheit und der Brücke für Reichtum) mit einer ungeraden Anzahl von Schritten überqueren, eine Treppe in einem Atemzug hochstapfen und auf einem glitschigen Stein mindestens drei Sekunden auf einem Bein stehen bleiben. Der ganze Tempel ist der Unterwelt gewidmet; die Hallen zeigen das Jüngste Gericht, das Fegefeuer und die Herrscher der Unterwelt dar. Die Figuren wirken deshalb recht unheimlich. Highlight des Tempels ist eine siebenstöckige Pagode (Bild links). Auf einem Hügel in der Nähe wird ein eigenwilliges Hotel errichtet, dessen Fassade einem chinesischen Gesicht nachempfunden ist (Bild rechts).

Neben der Besichtigung des Fengdu-Tempels waren an diesem Tag keine weiteren Aktivitäten vorgesehen, und das war auch ganz gut so, da es ununterbrochen regnete. So verbrachten wir den Nachmittag mit Lesen und Faulenzen an Bord, während die "Emperor" ihrem Ziel in Chongqing entgegen schipperte. Ein persönliches Highlight brachte noch das Abendessen, da meine liebe Freundin an diesem Tag Geburtstag hatte und dieser auf Initiative der Reiseleitung hin mit Ständchen und Sahnetorte gefeiert wurde.

Chongqing
Chongqing, das Ziel unserer Fahrt auf dem Jangtse, ist mit ihren über 30 Millionen Einwohnern die größte Stadt der Welt. Möglich gemacht hat diesen Rekord, dass Chongqing 1997 der Status einer "direkt verwalteten Stadt" verliehen wurde, der entfernt mit dem unserer Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin vergleichbar ist. Damit waren umfangreiche Eingemeindungen verbunden, die das Stadtgebiet auf über 82.000 km2 und die Bevölkerung auf besagte über 30 Millionen Menschen anwachsen ließen. Zum Vergleich: Österreich hat bei 83.000 km2 Fläche ca. 8 Millionen Einwohner.

Chongqing ist nicht nur die größte, sondern auch die hässlichste Stadt der Welt. Die meiste Zeit liegt sie unter einer dichten Smogdecke, welche sie den zahlreichen, stark emittierenden Industrieanlagen verdankt, und überall werden gigantische Wohntürme in Plattenbauweise hochgezogen, die das Stadtbild zusätzlich verunstalten. Schöne Bauten im alten chinesischen Stil sucht man vergeblich, bis auf das Regierungsgebäude am Friedensplatz (Bild) vielleicht, das bei unserem Besuch gerade renoviert wurde. Den Bewohnern macht neben dem Smog die extrem hohe Luftfeuchtigkeit zu schaffen, zu der sich im Sommer eine unerträgliche Hitze hinzu gesellt. Untypisch für China ist, dass man kaum Fahrräder auf den Straßen sieht, was sich leicht dadurch erklärt, dass das Stadtgebiet sehr hügelig ist.

Touristische Highlights hat die Stadt nicht zu bieten, den Marsch durch die schäbige, mit zahllosen Krimskramsläden, fliegenden Händlern und Bettlern ganz auf Touri ausgerichtete "Altstadt" und den Besuch eines Marktes, auf dem Stierhoden, Entenfüße und ähnliche Köstlichkeiten angeboten wurden, hätte ich gerne verzichtet. Ganz nett war hingegen der Spaziergang durch den Eling-Park (Bild), an dessen Ende der Besuch einer Teefabrik stand, wo wir in die Geheimnisse der chinesischen Teezeremonie eingeführt wurden und einige Teesorten zu kosten bekamen. Bei dieser Gelegenheit habe ich zum ersten Mal Ginseng-Tee getrunken, der die ungewöhnliche Eigenschaft hat, im Mund zunächst etwas bitter, im Abgang aber extrem süß zu schmecken, ähnlich wie Honig. Man muss ihn wohl gekostet haben, um diesen Effekt nachvollziehen zu können, wobei ich keine Ahnung habe, wodurch er bewerkstelligt wird. Offenbar funktioniert er auch nur in China, denn bei dem von uns für teueres Geld erstandenen Ginseng-Tee war zu Hause nichts dergleichen festzustellen.

Nach diesem Programmpunkt fiel wohl auch der Reiseleitung nichts mehr ein, was man in Chongqing noch hätte unternehmen können, und so wurden kurzehand drei Stunden Freizeit in der Fußgängerzone verordnet, bevor es am späten Abend mit dem Flieger nach Guilin weiter ging.

Am Stadtbild von Chongqing gibt es nichts zu beschönigen:
 

 
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