Neuer
Reiseleiter
Am Flughafen von Beijing angekommen hieß es Abschied nehmen
von unserer Reiseleiterin Beate, die von einem ortskundigen
Kollegen abgelöst wurde. Selbiger war auch fachkundig und
freundlich, wenngleich nicht ganz so sprachbegabt wie Beate.
Außerdem entpuppte er sich als strammer Kommunist, der für die
Todesstrafe war, Mao den "großen Vorsitzenden" nannte und am
"Platz des himmlischen Friedens" das Massaker an über 3.000
Studenten zu erwähnen "vergaß", mit dem die Staatsführung 1989
der Demokratiebewegung ein Ende setzte. Letzteres will ich ihm
aber verzeihen, denn ein deutscher Reiseleiter würde am
Brandenburger Tor sicherlich auch nichts von Hitlers
Aufmärschen erzählen, und insgesamt kann ich ohnehin über die
Reiseleitung nichts Negatives sagen.
Sommerpalast
Unsere erste und letzte Station an diesem ersten halben Tag in
Beijing, wie Chinas Hauptstadt Peking offiziell heißt, war der
Sommerpalast. Kaiser Qianlong (1736-1795) ließ die
zahlreichen, seit dem 12.
Jahrhundert
im Norden Beijings entstandenen Sommerresidenzen anlässlich
des 60. Geburtstags seiner Mutter zu einem einheitlichen Areal
ausbauen. Der Sommerpalast ist also kein einzelnes Gebäude,
sondern eine riesige, 240 ha große Gartenanlage mit
zahlreichen Palästen, Toren und Pavillons, in deren Herzen der
Kunming-See liegt. Die Arbeiten wurden ursprünglich
1764 abgeschlossen. 1860 (im
2. Opiumkrieg) und 1900 (während des
Boxeraufstandes) wurde der Garten jedoch von Europäern
zerstört. Kaiserinwitwe Cixi (1835-1909), die
China in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts de facto für
die jeweils minderjährigen Kaiser regierte, scheute beide Male
keine Kosten, um den Garten wieder aufzubauen. Er wird daher
vielfach auch als "Sommerpalast der
Kaiserinwitwe Cixi" bezeichnet. Eine seiner Hauptattraktionen
ist das Marmorschiff von 1750 (großes Bild unten), das
ursprünglich die Stabilität der damaligen Qing-Regierung
symbolisieren sollte.
Im Sommerpalast war es wegen der "goldenen Woche" brechend
voll (Bild links). "Bleibt schön beisammen", sagte der
Reiseführer immer, "nicht dass einer verloren geht". Klar, so
blöd wird schon keiner sein! Leider war zudem der Himmel
bedeckt, und sowohl der Andrang als auch das Wetter
verhinderten, dass wir die Gartenanlage richtig genießen
konnten. Ansonsten hätte man eine Bootsfahrt auf dem See
machen oder über die berühmte Siebzehn-Bogen-Brücke
(Bild rechts) spazieren können. Immerhin nahmen wir den
Eindruck mit, dass es dem kaiserlichen Hof offensichtlich auf
ein paar Mark nicht ankam.
Platz
des himmlischen Friedens
Durch den Vorgeschmack am Sommerpalast gewarnt,
brachen wir am zweiten Tag in Beijing früh zum Platz des
himmlischen Friedens auf, um dort nicht wieder im Andrang der
Chinesen unterzugehen. Eine gute Idee, die außer uns auch nur
schätzungsweise gut 500.000 Chinesen hatten. "Immer schön
beieinander bleiben", hieß es wieder. Kein Problem, denn der
riesige, 880 x 500m große Platz (Panoramabild oben links) war
mit der halben Million Menschen bestenfalls zur Hälfte
gefüllt. Im Süden wird er begrenzt durch das Mao-Mausoleum
mit dem einbalsamierten Mao Zedong in seinem Glassarg und ein
typisch kommunistisches "Denkmal für die Volkshelden".
Im Westen steht das große Parlamentsgebäude mit Platz für
mehrere tausend Abgeordnete. Im Norden schließt sich
unmittelbar das 1417 fertig gestellte "Tor des himmlischen
Friedens" (großes Bild unten) an, das gleichzeitig als
Eingang zum Kaiserpalast dient. Über dem Durchgang zum
Kaiserpalast hängt ein riesiges Mao-Bildnis (Bild
rechts). Überhaupt haben die Chinesen zu Mao
noch ein sehr gutes Verhältnis, wie es scheint. Natürlich ist
Vieles schlicht Propaganda der Kommunistischen Partei, aber
nicht wenige Chinesen sehen in ihm noch den "großen
Vorsitzenden", der China in die Unabhängigkeit geführt und den
inneren Frieden hergestellt hat. Wen kümmern da schon die
30-40 Millionen Toten, die er mit seinem "Großen Sprung nach
vorn", der Kulturrevolution, den Enteignungen der Bauern und
den politischen "Säuberungen" auf dem Gewissen hat? Ganz
abgesehen von der Rückständigkeit und dem permanenten Zustand
der Unfreiheit, in dem er China bis zu seinem Tod hielt?
Solche Fragen stellt man natürlich nicht, wenn man seine
Gastgeber nicht brüskieren will.
Kaiserpalast
Die Bezeichnung "Kaiserpalast" wird der riesigen Anlage, die
wir durch das "Tor des himmlischen Friedens" betraten,
überhaupt nicht gerecht, denn es handelt sich ebenso wie beim
Sommerpalast nicht um ein einzelnes Gebäude, sondern um ein
riesiges Areal, dessen Nord-Süd-Achse einen Kilometer lang
ist. "Verbotene Stadt" trifft es viel besser, denn es
handelt sich in der Tat um eine kleine Stadt in der Stadt, die
für den Normalsterblichen während der Kaiserzeit völlig
unzugänglich war. Sie ist in mehrere Ringe unterteilt, und je
weiter man damals in ihr Inneres vorstieß, umso weniger
Personen hatten Zutritt. Bis zum Kaiser selbst, der China von
der "Halle der höchsten Harmonie" aus regierte, drangen
eigentlich nur Frauen vor, nämlich die Kaiserin, die
zahlreichen Konkubinen und die Dienerinnen. Die "männlichen"
Berater waren allesamt Eunuchen. Wer es also am
Kaiserhof zu etwas bringen wollte, musste sich des "kleinen
Unterschieds" entledigen, und viele Männer sind bei der
Operation umgekommen, die unter den damaligen Methoden ein
grausames Martyrium gewesen sein muss.
Für die Olympischen Spiele 2008 wird in der Verbotenen Stadt
fleißig renoviert. Vieles ist aber schon fertig, und besonders
die gelb glänzenden Dächer der Tore und Gebäude, die in ihrer
heutigen Gestalt auf die Ming-Zeit (1406-1420) zurückgehen,
sind äußerst eindrucksvoll. Die "Halle der höchsten Harmonie"
stellte mit ihren 35m lange Zeit das höchste Gebäude in
Beijing dar und durfte durch nichts überragt werden. Auch die
Farbe gelb und der Drache als Symbol der Macht waren allein
dem Kaiser vorbehalten. Auf ihre unbefugte Verwendung stand -
wie auf so vieles in China - die Todesstrafe. Das Leben im
Palast war von strenger Etikette geprägt, der sich auch der
Kaiser zu unterwerfen hatte. Zahlreiche Hallen, Tore und
Plätze dienten allein diesem Zweck.
Palastgarten
In der Verbotenen Stadt gibt es auch einen Palastgarten
(Bild), der zu einer kleinen Pause Gelegenheit bietet. "Dass
mir keiner
verloren
geht", hieß es wieder. Langsam nervt diese Panikmache, dachte
ich noch. Nur, ähm, als wir nach einem kleinen Einkauf zum
ausgemachten Treffpunkt zurückkehrten, fanden wir unsere
Gruppe dort nicht vor! Nach einiger Zeit des Wartens und
Ausschauhaltens suchten wir den ganzen Garten ab, der zwar
groß und voll, aber durchaus überschaubar war, doch niemand
war zu sehen. Ein großartiges Gefühl, wenn man mitten unter
unzähligen Chinesen kein Wort chinesisch spricht und keine
Ahnung hat wo man ist, wie man die Gruppe wieder finden oder
zum Hotel zurückkommen soll. Auch ein Anruf im Hotel brachte
nichts - niemand hatte sich nach uns erkundigt! Den
Reiseführer konnten wir nicht anrufen, da wir seine
Handynummer nicht kannten. Und ich hatte im Sommerpalast noch
scherzhaft über einen Mitreisenden gelästert, der sich
die Nummer tags zuvor hatte geben lassen... Nach einer guten
Stunde dämmerte uns schließlich, dass man uns vor Ort nicht
mehr abholen würde, und so galt es, die Initiative zu
ergreifen. Wir verließen den Palastgarten und damit
gleichzeitig die Verbotene Stadt durch den einzigen sichtbaren
Ausgang und versuchten, ein Taxi anzuhalten. Das gelang
schließlich auch, und glücklicherweise hatten wir den
scheckkartengroßen elektrischen Schlüssel zu unserem
Hotelzimmer dabei, auf dem auch der Hotelname in chinesisch
stand. Der Taxifahrer hatte offensichtlich keine Ahnung, wo
das war, aber nach einer kleinen Stadtrundfahrt und zwei
Telefonaten mit dem Hotel kamen wir schließlich doch dort an.
Im Hotel war dann die Handynummer unseres Reiseleiters
bekannt, und ein kurzer Anruf ergab, dass die Gruppe in aller
Seelenruhe beim Mittagessen saß. Man war ohne uns
abmarschiert, weil der Reiseführer beim Durchzählen irgendwie
auf 26 Köpfe gekommen war, obwohl nur 24 da waren, hatte unser
Fehlen erst einen Treffpunkt später bemerkt, dort noch eine
Viertelstunde gewartet und schließlich beschlossen, erst mal
zum Essen zu fahren, wir würden uns schon zu helfen wissen. So
war es dann ja auch, und als wir per Taxi und unter großem
Hallo schließlich kleinlaut an dem Restaurant eintrafen, war
die Episode fast schon vergessen. Als kleinen Ausgleich für
die Warterei und den Schrecken übernahmen wir für den Rest des
Tages die Wasserversorgung im Bus.
Himmelstempel
Nach dem Mittagessen besichtigten wir dann noch den
Himmelstempel (Bild), in dem der Kaiser alljährlich fastend und
meditierend die Nacht der
Wintersonnenwende verbrachte. Der Himmelstempel ist wiederum nicht nur ein
Gebäude, sondern eine ganze Anlage, deren Hauptgebäude, die "Halle der
Erntegebete" allerdings häufig irrtümlich als Himmelstempel bezeichnet
wird. Jene "Halle der Erntegebete" ist gleichzeitig das Wahrzeichen Beijings
und gilt völlig zu Recht als eines der schönsten Bauwerke Chinas. Besonders
eindrucksvoll ist das blau glänzende Dach mit dem vergoldeten Kegel an der
Spitze. Die Halle brannte Ende des 19. Jahrhunderts völlig nieder und wurde
1889 in ihrer jetzigen Form wieder errichtet. In die Opferzeremonien zu Ehren
des Himmelsgottes war diese Halle jedoch nicht einbezogen. Diese fanden
vielmehr auf dem angrenzenden, von einer "Echomauer" umgebenen
Platz statt. Die ganze Anlage ist auf das Feinste renoviert worden und strahlt
jetzt in neuem Glanz. Dieser Umstand, das schöne Wetter und der
vergleichsweise erträgliche Andrang machten den Besuch der Anlage zu einem
echten Highlight.
Halle der
Erntegebete:
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Gelände des Himmelstempels:
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Nach dem
Abendessen sahen wir uns im "Roten Theater" noch eine "Kung-Fu-Show"
an, in der zahlreiche Akrobaten ihre Künste darboten. Erzählt wurde die
Geschichte eines Klosterschülers, der es vom Novizen zum Meister des Kung Fu
bringt und dabei zahlreiche Schwierigkeiten überwinden muss. Unter anderem war
es offenbar nötig, einige massive Eisenstangen auf seinem Kopf zu zerschlagen,
was er erstaunlicherweise ohne Schädelbasisbruch überstand.
Die Große Mauer
Wenn man an China denkt, denkt man als erstes an die Chinesische Mauer. Diesen
absoluten Höhepunkt hatten wir uns für
den letzten Tag unserer Reise
aufgehoben, quasi als krönenden Abschluss. In aller Frühe ging es per Bus los
nach Badaling. Von diesem kleinen Ort aus, ca. 60 km nordwestlich von
Beijing gelegen, hat man Zugang zu einem der am besten erhaltenen Stücke der
ursprünglich 6.350 km langen Mauer. Ein Drittel der großen Mauer ist
bereits komplett verfallen, ein weiteres Drittel Ruine, und ein Drittel ist
gut erhalten. Die Mauer bei Badaling ist nicht nur hervorragend erhalten,
sondern bietet einen weiten Blick über einige Gipfel hinweg. Besonders
beeindruckend ist ja nicht ein Stück Mauer an sich, sondern wie sich dieses
vielleicht gigantischste Bauprojekt der Menschheitsgeschichte durch die Berge
und Täler schlängelt. Ursprünglich wurde sie als Schutzwall gegen die Völker
im Norden errichtet, insbesondere gegen die Mongolen. Hunderttausende Soldaten
und Zwangsarbeiter haben an ihr geschuftet. Eine Bauzeit lässt sich kaum
angeben, da die Mauer über die Jahrhunderte immer weiter ausgebaut wurde. Ihre
Anfänge liegen wohl in der Zeit um 200 v.Chr. Sie verläuft von West nach Ost,
wenngleich natürlich nicht gerade und immer wieder unterbrochen. Im Schnitt
ist die 7-9 m hoch und am Boden ca. 7 m breit. Man schätzt, dass zu besten
Zeiten ca. eine Million Soldaten an der Mauer dienten, eine im
historischen Kontext gesehen unglaubliche Zahl. Über die zahlreichen Wachtürme
verständigten sie sich zunächst mit Rauchzeichen und Spiegeln, später mit
Schießpulver. Erst mit der Ausweitung des Reiches nach Norden verlor die
Mauer, die plötzlich mitten durch China verlief, ihre militärische Bedeutung
und verfiel. Es dauerte bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, bis China sich
auf dieses einmalige Kulturerbe besann und die Mauer Stück für Stück Instand
setzen ließ. Die Instandsetzung dürfte ebenso wie der Bau der Mauer eine echte
Sisyphos-Arbeit werden.
Bei Badaling gibt es zwei Aufgänge zur Mauer. Der eine führt zu einem
flacheren Stück, das recht einfach zu begehen ist, dafür aber die weniger
interessante Aussicht verspricht. Das zweite, steilere Stück war weniger
bevölkert und versprach den besseren Blick, also war unsere Entscheidung klar.
Der Anstieg war aber wirklich alles andere als einfach, denn es ging z.T. sehr
steil aufwärts, und vielfach gab es keine Stufen (siehe kleines Bild oben
links). Wenn es einmal Stufen gab, dann waren sie sehr schmal (offenbar hatten
die Chinesen vor zweitausend Jahren noch kleinere Füße als heute) und vor
allem unterschiedlich hoch, so dass man leicht ins Stolpern gerät. Sicher
nichts für Fußkranke.
Ming-Gräber
Am
Fuße des Berges Tianshou liegen die Ming-Gräber, die uns noch einen
Abstecher wert
waren. Zwischen 1427 und 1644 wurden hier 13 Ming-Kaiser
begraben. Ihre Mausoleen liegen unterirdisch und haben z.T. gigantische
Ausmaße. Das Grab des 13. Kaisers der Ming-Dynastie, welches wir besichtigten,
ist bspw. 180.000m² groß.
Doch obwohl sich all dies sehr vielversprechend
anhört und die Ming-Gräber zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören, sind
sie touristisch eine Enttäuschung. Man bekommt nichts als ein paar
unterirdische Hallen zu sehen, die mich eher an den Führerbunker als an ein
Kaisergrab erinnert haben. Es dominieren Steinplatten und Beton (letzterer
sicherlich nicht original). Grabbeigaben gibt es nicht zu sehen. Der einzige
Schatz unter Tage war ein stattlicher Geldhaufen, den die chinesischen
Touristen aufgetürmt hatten, wohl weil sie sich Glück davon versprechen. Der
Trevi-Brunnen war nichts dagegen.
Seelenweg
Südlich der Ming-Gräber liegt der "Seelenweg", eine von Mensch-,
Tier- und Fabelwesenstatuen gesäumte Allee von einem knappen Kilometer Länge. Von diesem
letzten Programmpunkt unserer gesamten Reise wurden wir äußerst positiv
überrascht, denn bei unserer Ankunft war keine Menschenseele zu sehen, es
herrschten milde, frühabendliche Temperaturen, die Sonne schien noch und
wir hatten jede Menge Zeit, um die Allee entlang zu spazieren. Im Hintergrund
spielte leise klassische chinesische Musik. Ich hätte nach all dem Trubel der
vergangenen zwei Wochen nicht gedacht, dass es einen solchen Ort in China
gibt, geschweige denn an einer Touristenattraktion. Welch ein würdiger
Abschluss dieser Reise.
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Seelenweg: |
Impression (1)
Impression (2) |
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Ende der Reise
Ja, das Ende des Seelenweges markierte gleichzeitig das Ende unserer
Chinareise 2007, denn hiernach gibt es kaum noch Nennenswertes zu vermelden.
Auf dem
Heimweg ins Hotel kamen wir noch am Olympiagelände 2008 vorbei, und mir
war es vergönnt, durch das Busfenster noch ein Foto des Vogelnestes zu
schießen, das einmal das zentrale Stadion der Olympiade werden soll (Bild). Am
Abend gab es für die Reisegesellschaft noch ein fakultatives Pekingente-Essen,
das wir aber zugunsten eines saftigen Steaks ausließen. Am nächsten Morgen
stand dann nur noch der Rückflug an, der problemlos verlief, wenn man einmal
davon absieht, dass unsere Koffer nach zwei Wochen China komplett ruiniert
waren.
Ganze zwei Wochen haben wir dieses fremde Land erlebt, und sicherlich ist
diese Zeit viel zu kurz, um mehr als einen kurzen Eindruck mitnehmen
zu können. Am Ende sind wir jedenfalls bereichert und verwundert zugleich
heimgekehrt, wie vermutlich Millionen andere Touristen vor und nach uns
auch.
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